Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
Vom Netzwerk:
auf der langen Strecke am Steuer abgelöst und frühmorgens Stockholm erreicht. Ihre bevorstehende Ankunft hatte Robert den Mittelsmännern in einem verschlüsselten Telegramm noch von Deutschland aus mitgeteilt. Bei ihrem Eintreffen im Hotel lag die Antwort bereits vor. Man würde sie um neunzehn Uhr abholen.
    Sie öffnete die Minibar, nahm einen Fruchtsaft heraus, schenkte sich ein, trank, war nicht gelassen genug, um ihre Huka zu rauchen, zündete sich eine Zigarette an. Ob sie wohl zahlen? dachte sie. Im Grunde ist es mir gleich. Mit dem, was ich habe, kann ich ein Vierteljahr in Moskau leben, gut leben sogar, und wenn Gras über die VX-Sache gewachsen ist, übernehmen Robert, Pierre und ich neue Aufgaben, wahrscheinlich in Frankreich. Wladimir wird wohl etwas länger in der UdSSR bleiben, und Hilario will seinen alten Plan wahrmachen und nach Nicaragua gehen.
    Es klopfte. Sie nahm ihre Handtasche auf. Darin steckte die WALTHER. Die Tasche in der Hand, ging sie an die Tür, fragte auf englisch:
    »Wer ist da?«
»Ich bin es, Lars Nydager.«
Sie legte die Tasche auf den Tisch zurück, öffnete die Tür.
    Der Schwede trat ein. Drei, vier Sekunden lang standen sie sich schweigend gegenüber, die zierliche Orientalin, die, weil sie barfuß war, noch kleiner wirkte als sonst, und der einen Meter fünfundachtzig große, schlanke Skandinavier. Dann stürzten sie aufeinander zu, umfaßten sich, und es sah aus, als hielte da ein Mann ein zartes Kind in seinen Armen.
    »Komm!« sagte er. »Laß alles liegen! Wir fahren.« »Wohin?« fragte sie.
»Du wirst sehen.«
»Es ist doch noch zu früh!«
»Es ist schon fast zu spät.«
Sie begriff nicht, aber wie damals im Frühjahr fügte sie sich dem Mann, schlüpfte in ihre Schuhe, nahm die Handtasche und folgte ihm hinaus auf den Gang.
    »Wo wohnen die anderen?« fragte er.
»Zwei auf dieser Etage; die beiden anderen haben ihre Zimmer ein Stockwerk tiefer.«
Er zog sie mit sich zum Lift. Sie fuhren hinunter, fuhren durch bis in den Keller, gingen zur Tiefgarage, stiegen in den am Ausgang bereitgestellten schwarzen PORSCHE.
Jetzt fragte sie doch:
»Sind wir denn rechtzeitig zurück?«
Er antwortete nicht, startete.
»Wohin?« fragte sie noch einmal.
»Ins Sommerhaus.«
»Aber das ist zu weit! Um sieben werden wir abgeholt!«
»Ich erkläre dir alles, wenn wir da sind.«
»Und was, wenn Robert mich jetzt sprechen will, und ich bin nicht in meinem Zimmer und auch nicht im Foyer?«
»Mach dir keine Sorgen!«
Da war es wieder, das Gefühl, hinüberzugleiten in eine andere Lebensform. Er brauchte nur zu sagen »Mach dir keine Sorgen!«, und schon ordnete sie sich unter, tat es gern.
Sie schwiegen für eine lange Zeit.
Als die Stadt hinter ihnen lag, fragte sie:
»Werden wir wieder am Kaminfeuer sitzen?«
»Natürlich.«
Sie kamen durch einen Wald. Es wurde dunkel.
»Und fahren wir auch mit dem Boot?«
Wieder antwortete er: »Natürlich.« Und dann ergänzte er: »Aber erst morgen.«
Links und rechts begann der Wald unmittelbar hinter den Banketten. Sie dachte: Daß Bäume auch mal was anderes sein können als nur eine schützende Wand, hinter der man sich verbirgt, um so schnell wie möglich aus dem Tennisdress herauszukommen oder um ungesehen ein Loch für zwei Granaten zu graben oder um den günstigsten Moment für das Anbringen von VX-Minen abzuwarten!
Sie fröstelte. Er merkte es an der Art, wie sie die Arme ineinander verschränkte, stellte die Heizung an. Es wurde schnell warm.
»Danke.«
Sie roch das Meer und hatte sofort das ganz aus Holz erbaute Haus vor Augen, den Bootssteg, die Jolle. Und sagte sich: Bestimmt ist das Treffen um einen Tag verschoben worden, und die anderen hat man durch einen Anruf verständigt. Und mit seinem »Es ist schon fast zu spät!« wird es nichts Gefährliches auf sich haben. Er hat das Warten gemeint, die langen Monate, hat es kaum noch ausgehalten und mir nur seinen Zustand geschildert, sein Verlangen, seine Sehnsucht.
Sie bogen ein in den sandigen Waldweg, erreichten das Haus. Der Wagen hielt. Sie stiegen aus. Ihr Täschchen in der Rechten, lief sie sofort auf den Steg. Er folgte ihr. Im schwachen Mondlicht sah sie das Boot, und obwohl es fast windstill war, hörte sie das leichte Schwappen.
Er stand hinter ihr, und wieder verschwand sie in seinen Armen.
»Komm!« sagte er. »Es ist kühl hier.«
Er schloß auf, und sie traten ein. Sie legte die Handtasche auf den kleinen Garderobentisch.
Kurze Zeit später saßen sie nackt vor dem lodernden

Weitere Kostenlose Bücher