1988 VX (SM)
an beiden Enden. Schon in der nächsten Sekunde hockte sie auf der Brust des Wehrlosen und preßte ihm das glühende Holz gegen den Hals.
Er schrie, bäumte sich auf, aber sie hatte nun mal die bessere Position, ließ nicht locker. Die Trauer über den Tod der Freunde und die Angst um das eigene Leben gaben ihr so viel Kraft, daß er keine Chance hatte. Zwar wog sie nicht viel, aber da sie ihr gesamtes Gewicht nach vorn verlagerte, saß sein Hals fest wie in einem Fangeisen. Hinzu kam der höllische Schmerz, und so dauerte es nicht lange, bis er ohnmächtig wurde. Sie spürte es am plötzlichen Schwinden seiner Gegenwehr, sah es auch, denn der Kopf fiel zur Seite.
Sie sprang auf, warf das Scheit in den Kamin, streifte die Handschuhe ab, bemerkte, daß sie sich trotz des Schutzes verbrannt hatte, kümmerte sich nicht darum, zog in fliegender Hast ihr Kleid und ihre Schuhe an, suchte nach dem Autoschlüssel, fand ihn in Nydagers Hosentasche, fand nach einigem Suchen sogar ihre WALTHER. Sie lag in der Küche, ganz hinten im Backofen. Sie steckte sie in die Handtasche, kehrte zurück in den Raum, in dem die Liebe und der Tod so dicht beieinander gehaust hatten, zog sich noch einmal die harten Handschuhe an und verteilte die glühenden Scheite im ganzen Haus, legte sie in die unmittelbare Nähe der Betten, der Vorhänge und der gefüllten Bücherregale, lief erneut in die Küche und entdeckte im Schrank einen Kanister mit Brennspiritus, trug ihn ins Wohnzimmer, öffnete ihn, goß seinen Inhalt auf den Fußboden. Dann nahm sie, da sie die Handschuhe wieder abgestreift hatte, die Kaminschaufel auf, belud sie mit einem Haufen kleiner Glutpartikel und entleerte sie über der sich ausbreitenden Spirituslache. Das Feuer schoß sofort meterhoch.
Sie packte die Handtasche und stürzte aus dem Haus, stieg in den PORSCHE, startete.
Nach zehn Minuten erreichte sie einen hochgelegenen Parkplatz, der zugleich ein Aussichtspunkt war. Sie stieg aus, sah im Osten über der dunklen Silhouette des Waldes den roten Schein.
Sie stieg wieder in den Wagen, fuhr davon.
16.
»Nur so kann es einen neuen Anfang geben«, hatte Katharina in Barcelona gesagt und damit die Rückkehr gemeint, die Befolgung des Aufrufs. Nun war er da, der neue Anfang.
Manches war wie früher, manches war anders geworden. Zwischen Haus und Depot grasten keine Pferde mehr, weil das Gelände gesperrt worden war. Ein hoher, schnurgerader Erdwall zog sich über die Weide, auf der die Bagger den Tunnel freigelegt und Segment für Segment herausgeschafft hatten. Den Amerikanern hatte es nicht genügt, die Röhre von den Seiten her auszustopfen; sie befürchteten, das Füllmaterial lasse sich allzu leicht entfernen. Danach waren etliche Fuhren Mutterboden angefahren und, zusammen mit dem Aushub, in den Graben geschüttet worden, damit der Boden seine alte Festigkeit bekäme. Demnächst sollte eine Ramme das lose aufgehäufte Erdreich einebnen. Aber die Linie würde noch lange zu sehen sein und Frank Golombek tagtäglich an seinen verhängnisvollen Pakt erinnern. Auch das Schwimmbad war ein quälender Blickfang. Das große Becken, dem so viele von Katharinas sorgsam gehüteten Pflanzen hatten weichen müssen, war einfach nicht zu übersehen, die Reithalle ebensowenig. Was aber viel schwerer wog, war Lauras, Josephs, Rademachers und Hübners definitive Abwesenheit, die beide auf Schritt und Tritt verspürten. Das war schmerzlich.
Nicht schmerzlich, sondern nur störend waren die vielen Neugierigen, die ohne Erlaubnis über die nicht abgesperrten Teile des Grundstücks liefen. Sie kamen, um den langen Erdwall zu betrachten, hofften wohl, er würde ihre Phantasie beflügeln bei dem Versuch, sich die unterirdische Attacke auf das Camp vorzustellen. Frank und Katharina ließen sie gewähren. Nur wenn jemand dreist mit dem Auto vorfuhr und direkt an der Haustür parkte, schickten sie ihn weg. In den ersten Tagen brauchten sie dazu die Unterstützung der Polizei. Allmählich wurden es weniger, und sie kamen allein damit zurecht.
Sie saßen auf der Terrasse, hatten ihr Frühstück beendet.
»Ich bin umstellt von lauter Zeichen«, sagte er, »die mich an die größte Torheit meines Lebens erinnern.«
»Wir müssen damit fertigwerden«, antwortete Katharina, »und das schaffen wir auch.«
»Du redest, als wärest du mitschuldig, sprichst dauernd im Plural, obwohl doch nur ich es war, der da glaubte, die Welt verändern zu können.«
»Du oder ich oder wir beide, das spielt
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