Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
Vom Netzwerk:
das Gerät aus. Mein Gott, dachte er, irgendwann stürzt ein Flugzeug auf unser Giftlager, und wenn die Maschine noch ihre Bombenlast mitführt, wird tonnenweise VX freigesetzt, und die Katastrophe ist da.
    Er war nun hellwach und beschloß spontan, nach Hause zu fahren. Seine für den nächsten Tag vorgesehenen Termine würde er von Wasloh aus absagen. Er zog sich an, packte seinen Koffer, rief in der Rezeption an und bat, die Rechnung fertig zu machen. Auch wenn es mitten in der Nacht ist, sagte er sich, will ich mir das Gelände angukken, unter dem unser Tunnel entstehen soll! Um halb zwei kann ich da sein. Dann werde ich die alten Schwimmbadpläne heraussuchen, Arbeitszeug anziehen, mich vor die Reithalle setzen und darüber nachdenken, wie wir vorgehen müssen.
Zwanzig Minuten später war er auf der Autobahn. Mein Personal, dachte er, ist in der Tat ein Problem. Vielleicht sollten wirklich erstmal nur ein paar Männer aus Nadines Gruppe mit dem Schwimmbad anfangen. Sobald es darum geht, den Einstieg zum Stollen herzustellen, schicke ich meine Leute auf einen entfernten Acker, damit sie da eine Zufahrt errichten. Wenn sie zurückkommen, ist der Einstieg fertig, und von da an kommen die Fremden in aller Frühe.
    Er zündete sich eine Zigarette an. Gefällt mir noch nicht so recht, diese Lösung; sind zu viele Unwägbarkeiten drin. Die Tunnelbauer müßten stundenlang da unten hocken, ehe sie mit der Arbeit beginnen dürften. Außerdem könnten meine Leute aus irgendwelchen Gründen mal früher als sonst aufstehen, oder einer kommt erst um fünf nach Hause und beobachtet, wie die Gruppe heimlich unter Tage geht. Ich glaube, ich schicke die Hälfte der Belegschaft in Urlaub, und für die anderen muß ich mir noch was einfallen lassen.
    Er fuhr mit hundertachtzig Stundenkilometern, hörte Musik, fühlte sich zum erstenmal seit Mariannes Tod gelockert, ja, beschwingt, und das, obwohl er im Moment mit den Schwachpunkten des geplanten Unternehmens beschäftigt war. Was mach’ ich mit Katharina? Soll ich ihr raten, mal wieder zur Kur zu fahren? Nein, sie würde sich weigern, würde sagen: »Wieso denn eine Kur? Ich bin doch kerngesund!« Apropos gesund: Neuerdings hat sie ja eine Krankheit, die sie nun wirklich nicht leugnen kann, und ganz speziell für dieses Leiden gibt es Heilverfahren, die Wochen und Monate dauern und keinesfalls zu Hause angewandt werden können. Aber ich fürchte, sie springt mir ins Gesicht, wenn ich das Wort »Trinkerheilanstalt« auch nur erwähne.
    Und wenn ich sie nun doch einweihe?
Er sah ein Schild, das eine Raststätte ankündigte, und verringerte die Geschwindigkeit, wollte Kaffee trinken, um hellwach zu bleiben. Als die Ausfahrt da war, dachte er: Hoffentlich schmeckt er!
    Er schmeckte, war so aromatisch und stark wie zu Hause. Er holte sich eine zweite Tasse. Ja, weihe ich sie nun ein oder nicht? Ich fürchte, das Risiko ist zu groß. Selbst wenn sie die Aktion guthieße, müßte ich immer noch damit rechnen, daß der Alkohol ihr die Zunge löst und sie plötzlich irgendwem erzählt, der Grund und Boden ihres Mannes komme in das Guinness-Buch der Rekorde mit dem längsten und dicksten Maulwurfsgang, den es je unter einer Grasdecke gegeben habe. Was sie wohl zu dem Schwimmbad sagen wird? Damals war sie dafür, aber nun ist Marianne ja nicht mehr da. Gottseidank weiß sie, daß sie mir bei solchen Projekten nicht dreinzureden hat!
    Er verließ das Lokal, stieg in seinen Wagen, fuhr weiter, fühlte sich gut. Das lag vielleicht zum Teil am Kaffee, aber es lag auch an dem Plan, den er zusammen mit der schönen Nadine entworfen hatte. Eine phantastische Geschichte, dachte er; ein Dutzend Menschen schafft es – oder sagen wir vorsichtiger: schafft es vielleicht –, von unten her ins Depot einzudringen und den Amis eine ihrer streng bewachten Granaten abzunehmen! Wir werden, wenn es gelingt, der ganzen Welt beweisen, daß der Schrecken nicht verwaltet werden kann und man ihn allein schon deswegen abschaffen muß!
    Kurz vor halb zwei kam er zu Hause an. Er verhielt sich leise, ließ seinen Koffer im Wagen, schloß die Haustür auf, trat ein, machte die Tür hinter sich zu und ging hinauf in sein Schlafzimmer. Er hätte gern Katharina begrüßt, fand es aber besser, sie schlafen zu lassen, und so ging er nicht in ihr Zimmer, sondern schlich sich, nachdem er sich umgezogen hatte, in die Bibliothek, holte die Zeichnungen für das Schwimmbad hervor und breitete sie auf seinem Schreibtisch aus. Es

Weitere Kostenlose Bücher