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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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war auch ein Lageplan dabei, ähnlich wie der, den Nadine ihm vorgelegt hatte. Ihn sah er sich mit besonderer Sorgfalt an, dachte: Neunzig Meter! Nein, hundert, denn wir müssen ja wohl noch ein Stück über den Zaun hinaus. Wenn wir pro Tag sechs bis sieben Meter schaffen, könnte der Tunnel in zwei Wochen fertig sein. Natürlich müssen wir ihn mit einer Balkenkonstruktion abstützen, damit er nicht zusammenkracht. Und wir müssen mit Sauerstoffgeräten arbeiten und auch Pumpen zur Verfügung haben für den Fall, daß es Wassereinbrüche gibt. Und drei bis vier Meter tief werden wir wohl gehen; das kommt auf die Schichten an. Vielleicht wäre es wirklich gut, kurz vor dem Zaun noch einen Sprung nach unten zu machen. Und wichtig ist natürlich, daß die Arbeiten im Schwimmbad und im Stollen synchron verlaufen, damit es nicht passiert, daß die Sensoren ansprechen, obwohl kein Mensch auf der Baustelle zu sehen ist.
    Er schloß den Plan weg, verließ die Bibliothek, wollte sich das Terrain ansehen, auf dem das Becken entstehen würde. Ein bißchen Ärger wird es mit Katharina wohl doch geben, dachte er, denn ihr Steingarten muß verschwinden, und auch die großen Rhododendronbüsche, auf die sie so stolz ist, müssen dran glauben.
    Plötzlich kam ihm eine Idee. Er würde zunächst in den Pferdestall gehen, konnte ihn von innen her erreichen, durch die Vorratskammer und den Duschraum des Personals. Er wollte prüfen, ob man nicht zwei oder drei Boxen abreißen und an deren Stelle die Heizungsanlage für das Schwimmbad einbauen könnte. Vielleicht ließe sich dann der Zugang zum Tunnel von dort aus errichten. Es hätte den Vorteil, daß die Tunnelbauer, jedenfalls diejenigen, die im Hause wohnen würden, morgens ungesehen an ihre Plätze gelangten, denn die drei Fremdenzimmer lagen direkt über dem Stall.
    Er öffnete die Tür. Noch bevor er eingetreten war, nahm er zwei unvermutete Eindrücke gleichzeitig in sich auf: das Licht und die Geräusche. Über einer der ganz am Ende des Traktes befindlichen Boxen sah er es gelblich schimmern, und er hörte ein Stöhnen. Im ersten Moment dachte er: Eins der Tiere ist krank geworden, und sie haben es hereingeholt. Doch schon eine Sekunde später wußte er, daß es so nicht war, denn was da stöhnte, war kein Tier.
    Er machte ein paar Schritte. Noch einmal der Irrtum: Sicher ist es Joseph, der sich Laura geschnappt hat. Aber wieso ausgerechnet hier?
    Doch dann kamen Worte, ganz gemeine Worte, und es war die Stimme, die er kannte wie keine zweite auf der Welt:
    »Ah, ah, oh! Ja, stoß zu, du wüster texanischer Hengst! Stoß zu!«
Er blieb stehen, schloß die Augen, griff sich mit beiden Händen an die Brust, fühlte das Hämmern, dachte: Wie kann sie das nur tun!
Er versuchte, lang und tief durchzuatmen. Es gelang ihm erst nach mehrfachen Versuchen. Er ging weiter, ging an den leeren Boxen entlang, leise. Noch vier, noch drei, noch zwei. Blieb wieder stehen.
Noch einmal Worte: »Du, das ist Wahnsinn! Das ist phantastisch!« Sehr laut. Und für einen Moment, einen ganz flüchtigen Moment, spulte die Zeit zurück, und da war das kleine Hotelzimmer mit den dünnen Wänden, und da war das gleiche wilde Außersichsein, das Schreien, das Stöhnen, und da war seine Hand, die sich – behutsam und doch energisch – über den hemmungslosen Jungmädchenmund legte. Aber dann war sofort der Stall wieder da und das gelbe Licht und der Strohgeruch.
Wieder ein paar Schritte, und während dieser wenigen Sekunden entwickelte er einen Plan, einen abgefeimten, verwerflichen Plan. Der Tunnel saß ihm so beherrschend im Kopf, daß er dieses »In flagranti« ummünzen würde in einen grandiosen Vorteil. Keine Kur! Keine Trinkerheilanstalt! Und ein Einweihen schon gar nicht! Ganz was anderes, und sie wird folgsam sein wie ein Lamm!
Noch ein paar Schritte, und er erreichte den Zugang zur Box, sah hinein.
Wieder der Schock, weil nun auch das Bild da war.
Sie kniete abgewandten Gesichts auf einem Strohballen, nackt, und hinter ihr stand, ebenfalls ohne einen Fetzen Kleidung am Leibe, Morrison. Die Uniform lag in der Heuraufe, während Katharinas Kleidung über dem an der Wand befestigten ausgedienten Kummet hing.
Die beiden hatten ihn weder gesehen noch gehört, machten weiter.
Er überlegte, ob er in sein Zimmer hinaufgehen und warten sollte, bis Katharina zurückkäme. Doch dann sagte er sich: Nein, ich brauche es drastisch, damit die drastische Konsequenz plausibel wird!
Und so trat er heraus aus der

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