199 - Das Monster aus dem Stein
Silver sagte:
»Caggons Augen scheinen überall zu sein.«
»Ich mag Caggon nicht, und ich hoffe, bald Gelegenheit zu bekommen, ihm das ins Gesicht zu sagen.«
***
Lambert Quayle griff nach der Whiskyflasche, deren Inhalt allmählich zur Neige ging. Da gellte auf einmal ein markerschütternder Schrei durch die Nacht. Quayle sah seine Söhne bestürzt an. Der Schrei ging in ein Gurgeln über und riß ab.
»Verdammt!« stieß Lambert Quayle beunruhigt hervor.
»Das kam aus der Scheune!« sagte Murray.
»Pete Mason«, entfuhr es Geoff.
Sie stürmten aus dem Haus. Diesmal nahm Lambert Quayle eine Stablampe mit.
»Das Scheunentor ist offen!« stellte Joe fest.
Lambert Quayle leuchtete an ihm vorbei in die Dunkelheit, die die Scheune ausfüllte. Sein Gefühl sagte ihm, daß Mason nicht mehr lebte. Was sie gehört hatten, mußte ein Todesschrei gewesen sein. Quayle erinnerte sich, nur ein einziges Mal einen ähnlich grauenvollen Schrei gehört zu haben: Damals, als es im Wald Tim Frazer erwischt hatte. Tim, ebenfalls Holzfäller, war von einer Bärin angefallen und zerrissen worden.
Die Quayles betraten die Scheune, und was der Lichtkegel gleich darauf mit schonungsloser Deutlichkeit aus der Finsternis riß, ließ ihren Atem stocken Pete Mason war nicht wiederzuerkennen. Joe rannte aus der Scheune und übergab sich.
»Ein Bär«, preßte Murray heiser hervor. »Das muß ein Bär getan haben.«
»Aber einer, der von einer besonderen Art von Tollwut befallen- ist«, meinte Geoff, dem es schwerfiel, auf das blutige Etwas zu sehen.
Lambert Quayle widersprach seinen Söhnen nicht, obwohl er nicht ihrer Meinung war. Das hatte kein Bär getan, das ging auf eines anderen Konto.
»Sheriff Masterson muß her!« sagte Murray.
»Wozu?« fragte Geoff.
»Mann, kannst du vielleicht bescheuert fragen. Pete Mason ist tot.«
»Masterson kann ihn nicht wieder zum Leben erwecken«, sagte Geoff.
»Es ist unsere Pflicht, das zu melden«, sagte Murray aufgeregt. »Und es ist Mastersons Sache, die Leiche von hier fortzuschaffen.«
»Das können wir auch selbst«, sagte Geoff.
»Warum sollten wir die Arbeit des Sheriffs tun?« fragte Murray verständnislos.
»Damit der senile Masterson nicht auf die Idee kommt, uns diese Geschichte anzuhängen.«
»Das würde er nie tun.«
»Bist du sicher?« fragte Geoff. »Denk an Barney Brinks. Jemand hat seine Frau grausam ermordet, und was tat Sheriff Masterson? Er lochte Barney ein, obwohl er unschuldig war. Masterson ist kein besonders heller, Kopf. Der wurde nur Sheriff, weil er für keine andere Arbeit taugte. Vielleicht würde er sich folgendes zusammenkleistern: Pete Mason stieg bei uns ein und stahl unsere gesamte Barschaft sowie den Familienschmuck. Wir erwischten ihn dabei und gerieten darüber so sehr in Wut, daß wir ihn gleich lynchten.«
»Du hättest ihm nicht so brutale Märchen erzählen sollen, als er klein war, Dad«, sagte Murray unwillig.
Joe kam zurück. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und sagte: »Ich bin dafür, daß wir Mason einfach verschwinden lassen. Niemand wird ihn vermissen. Wir begraben ihn unten am Fluß und vergessen ihn.«
»Und was machen wir mit dem Killer-Bären?« fragte Murray.
»Der ist hoffentlich weitergezogen«, sagte Geoff.
»Ich bin nicht dafür, daß wir Mason selbst verscharren«, brummte Murray.
»Es ist die einfachste Lösung dieses Problems«, behauptete Geoff. »Es war nach den Buchstaben des Gesetzes nicht korrekt, daß wir Mason hier festbanden. Das war Freiheitsberaubung.«
»Er wollte uns bestehlen«, sagte Murray ärgerlich.
»Wir hatten trotzdem kein Recht dazu«, sagte Geoff. »Außerdem hat uns Mason nicht bestohlen. Sheriff Masterson könnte uns daraus einen Strick drehen. Wenn wir Mason nicht gefesselt und an diesen Pfosten gebunden hätten, hätte er vielleicht fliehen können.«
»Wir konnten doch nicht wissen, daß sich da draußen ein blutrünstiger Bär herumtreibt!«
»Ich hole die Schaufeln«, sagte Joe.
Geoff holte eine Zeltplane und breitete sie auf dem Boden neben der Leiche aus.
»Ich… kann das nicht fassen«, sagte Murray stockend.
Geoff warf ihm Arbeitshandschuhe zu und zog selbst auch welche an. »Es muß sein, Murray«
Lambert Quayle stand dabei und ließ alles geschehen. Zum ersten Mal schien er eine Situation nicht mehr im Griff zu haben. Normalerweise sagte immer er, was zu geschehen hatte, ohne dabei besonders autoritär zu sein. Diesmal schienen ihm die Zügel entglitten
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