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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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hätten schließen können, daß er Spuren beseitigen und sich dann absetzen wollte?«
»Dies ist ein Privathaus«, antwortete sie. »Geschäftliche Unterlagen gibt es hier nicht. Er kommt nur her, wenn er ausspannen will.«
»Wie oft?«
»Zu selten. Leider.«
»Was heißt das?«
»Zehn-, zwölfmal im Jahr.«
»Wie lange jeweils?«
»Drei, vier Tage. Oft bleibt er auch nur übers Wochenende.«
»Außer diesem Anwesen besitzt er noch andere Häuser, eins in Todtmoos, eins auf Amrum, eins in Frankfurt, um nur die deutschen Residenzen zu nennen, die man übrigens alle zu dieser Stunde durchsucht. Wie werden die Häuser genutzt?«
»Vorwiegend lädt er Geschäftsfreunde dorthin ein, jedenfalls nach Frankfurt und Todtmoos. Das Haus auf Amrum ist weder für die Familie noch für Geschäftspartner da. Es ist sein Refugium, der Ort, an dem er allein sein will, um in Ruhe nachdenken zu können.«
Becher nickte, als verstünde er, daß da jemand ein Haus eigens fürs Nachdenken brauchte. »Gab es«, fragte er weiter, »als er im Januar hier aufbrach, Anzeichen dafür, daß er außer Landes gehen würde? Ich meine nicht das Treffen mit Geschäftspartnern in Italien, sondern etwas Langfristiges. Und ich meine jetzt ebensowenig das Ordnen oder Beiseiteschaffen von Akten und anderen Unterlagen, sondern irgendwelche emotionalen Begleitumstände, von denen ja auch hartgesottene Manager manchmal nicht ganz frei sein sollen. Bitte, versuchen Sie, sich so genau wie möglich zu erinnern!«
»Alles war wie immer, und beim Abschied sagte er, wir sähen uns ja bald wieder. Damit bezog er sich auf meinen Geburtstag, den siebzehnten Januar.«
»An dem er sich dann aber nicht gemeldet hat?«
»Richtig.«
Becher sah seinen Begleiter von der Kripo kurz an, und daraufhin setzte der die Befragung fort: »Frau Pohlmann, Ihr Mann ist nun seit über fünfzig Tagen nicht mehr gesehen worden. Die Durchsicht unzähliger Firmenakten beweist eindeutig, daß er seinen Konzern jahrelang hintergangen und einen Schuldenberg von achthundert Millionen Mark aufgetürmt hat. Unserer Vermutung nach hat er sich ins Ausland abgesetzt, aber sein Verschwinden kann natürlich auch ganz anders zu deuten sein.«
Für einen Moment schloß sie die Augen. »Ein Verbrechen?« fragte sie dann.
»Ja, und da ist Mord nicht auszuschließen, steht sogar, wenn er nicht untergetaucht ist, an erster Stelle. Er hat ja nicht nur die Banken betrogen und seinen eigenen Vorstand hinters Licht geführt, sondern darüber hinaus viele Kleinaktionäre um ihre Ersparnisse gebracht. Jeder Zeitungsleser weiß das. Es hat sich also ein riesiges Vergeltungspotential herangebildet. Genauer: Es gibt ein paar tausend Leute, die ein Motiv haben. Die Presse hat ihnen in Wort und Bild vor Augen geführt, wohin ihr Geld geflossen ist, nämlich zu Ernst Pohlmann privat, also in ein einzelnes extravagantes Leben, in ein Dutzend teurer Autos, in eine zwanzig Meter lange Yacht, in einen Privatjet, in Immobilien von nicht errechenbarem Wert und in diverse umfangreiche ausländische Bankguthaben. Da läuft dem kleinen Mann, der sich das Geld für seine paar Aktien Monat für Monat vom Lohn abgezweigt hat, die Galle über. Mir jedenfalls würde es so gehen. Also, sollten Sie eine auch noch so vage Vorstellung haben, wo Ihr Mann sich aufhalten könnte, dann sagen Sie uns das bitte! Vielleicht ist ihm bis jetzt noch nichts passiert, aber es kann jeden Tag geschehen.«
»Sind Ihre Männer schon auf dem Dachboden gewesen?«
»Wieso?«
»Da ist ein Schrank, gleich rechts neben der Treppe. Auf dem obersten Bord steht ein Messingkästchen, ungefähr so groß wie eine Zigarrenkiste. Da ist was drin, das ich Ihnen wohl doch lieber zeigen sollte.«
Replin rief einen der Polizisten heran und beauftragte ihn, den Kasten zu holen. Dann fragte er: »Was ist es?«
»Es sind drei Drohbriefe.«
»Anonyme?«
»Ja.«
»Wann sind sie gekommen?«
»Der erste Ende November, der zweite Mitte Dezember und der dritte im Januar, als mein Mann schon ein paar Tage weg war.«
»Warum sind Ihr Mann und Sie mit diesen Briefen nicht zur Polizei gegangen?«
»Er nahm sie nicht ernst.«
»Und trotzdem hat er sie aufbewahrt?«
»Er wollte sie eigentlich zerreißen, aber ich meinte, wir könnten sie vielleicht mal brauchen, als Beweisstücke oder so, und dann fand auch er, wir sollten sie aufbewahren. Aber er nahm die Sache auf die leichte Schulter. Er sagte, jemandem zu drohen wäre eine Sache, die Drohung dann auch wahrzumachen eine ganz

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