1991 Atlantik Transfer (SM)
noch die auf der silbergrauen Tragfläche reflektierende Abendsonne fanden seine Aufmerksamkeit. Nach wie vor war er mit der Brücke zwischen seinem ersten und seinem zweiten Leben befaßt und mit der Frage, ob sie stabil genug sei:
Die Geschichte meines Todes wird nun ihren Weg machen.
Foreman berichtet von dem fürchterlichen Unglück. Der deutsche Konsul wird eingeschaltet und vermutlich auch die deutsche Botschaft in Mexico City. Anschließend wird der Fall in die Bundesrepublik geleitet, mit dem vorhandenen Beweismaterial, zu dem die auf dem Boot hinterlassenen Sachen ebenso gehören wie die aus meinem Hotel, die Leinentasche, die Kleidung, das Geld aus dem Safe, der Leuffen-Paß und mein Rückflug-Ticket nach Houston. Eine ganz große Rolle spielt natürlich der Film in meiner Videokamera. Er und die vielen Fingerabdrücke auf meinen Sachen werden ganz schnell zu der Erkenntnis führen, daß Eberhard Leuffen der verschwundene Ernst Pohlmann war. Daraufhin fliegt ein Staatsanwalt nach Cancún, und Foreman muß seine Geschichte noch einmal zum besten geben. Aber das weiß er. Na, und dann fragen sich die Leute im BKA, ob dieser Pohlmann denn nun wirklich tot ist oder nicht. Das heißt, es wird zwei Lager geben, ein größeres, das an der Fülle der Indizien nicht vorbeikommt, und ein kleineres, das grundsätzlich zu Zweifeln neigt, wenn bei einem Todesfall die Leiche fehlt, egal, wie viele blutrünstige Haie in der Karibik herumschwimmen, und egal auch, wie gestochen scharf das Sterben gefilmt wurde. Die Befürworter meines Todes werden ein gutes Argument haben und es immer wieder ins Feld führen: Wenn Pohlmann darauf aus gewesen wäre, seinen Tod vorzutäuschen, dann hätte er das doch unter seinem richtigen Namen gemacht! Ja, ich glaube, das ist ein verdammt starkes Argument. Trotzdem werden die Zweifler nicht nachgeben, auch wenn dieser Punkt sie ohne Frage verunsichert. In einigen Tagen – den genauen Zeitpunkt werde ich bestimmen, sobald die Haie von der Presse ausreichend über die Haie von Cancún berichtet haben – wird der in Wiesbaden aufgegebene Brief bei der Zeitung eintreffen …
Als er sich jetzt vorstellte, wie die Redakteure sich über den gelben Brief hermachten und fieberhaft an ihren Schlagzeilen bastelten, hatte er jedes Wort des brisanten Textes im Kopf, ja, sogar das bläßliche Blau der Buchstaben hatte er vor Augen, denn auch das war ein wichtiges Detail in seinem Plan gewesen: den Druckerkasten, mit dessen Hilfe schon die drei Drohbriefe entstanden waren, mitzunehmen nach Mexiko. Genüßlich wiederholte er jetzt in Gedanken den Inhalt der vierten Botschaft:
»ENDLICH EIN SCHWEIN WENIGER AUF DER WELT! DER SKIPPER DER CARABELA HAT SICH GEIRRT. DEN TOD VON CANCUN HABEN NICHT DIE HAIE HERBEIGEFÜHRT, SONDERN WIR. SEIT MONATEN WAREN WIR POHLMANN-LEUFFEN AUF DER SPUR. WIR SIND IHM VON HOUSTON NACH CANCUN GEFOLGT. DORT HABEN WIR IHN HARPUNIERT UND IN DIE TIEFE GEZOGEN. WIR ATMEN AUF.
VEREIN DER POHLMANN-GESCHÄDIGTEN«
Vor allem die Eingangsfeststellung, daß es nun ein Schwein weniger auf der Welt gebe, gefiel ihm wegen ihres Wahrheitsgehalts, denn er erinnerte sich der Antwort Howard Foremans auf die Frage, wie er das viele Blut beschaffen werde: »Wir veranstalten zu Hause ein kleines Schlachtfest. Unser Schwein muß dran glauben.«
7
Jacob Thaden war von Hamburg über Brüssel nach New York geflogen, dort umgestiegen und am Abend in Philadelphia gelandet. Er war allein gereist, denn jetzt ging es um einen Plan, dessen Ausführung viel Zeit in Anspruch nehmen würde, und die hatte Wulf Maibohm nicht. Die Freunde waren sich darin einig gewesen, daß es nicht, wie noch für New Orleans vorgesehen, ausreichte, dem Kapitän der CAPRICHO einen Besuch abzustatten und ihn dann, je nach dem Ergebnis, weiterziehen zu lassen oder die Behörden einzuschalten; nein, um dem geheimnisvollen Funkspruch endlich auf die Spur zu kommen, war es notwendig, daß er, Thaden, in Philadelphia an Bord ging und die zehn- bis zwölftägige Reise nach Veracruz mitmachte. Sie hatten lange überlegt, wie er unverdächtig zu seiner Passage kommen könnte. So aus dem Nichts heraus bei Nielson aufzutauchen und zu fragen, ob er eine Kabine frei habe, schien kein aussichtsreicher Weg zu sein. Er brauchte dann nur nein zu sagen, und der Flug über den Atlantik wäre wieder mal vergebens gewesen. Also hatte Wulf Maibohm sich von der Redaktion aus an die Reederei in Antofagasta gewandt, und dort hatte man gegen einen
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