1991 Atlantik Transfer (SM)
vergessen, den Funkspruch abzusetzen. Und er muß so abgefaßt sein, als wäre das Unglück gerade erst passiert oder noch im Gange.«
»Ist mir klar. Und mir ist auch klar, warum wir nicht schon jetzt funken. Sollte nämlich ganz zufällig ein Helikopter in der Nähe sein, wäre er in wenigen Minuten hier, und Sie säßen noch an Bord. Zweitens?«
»Wenn Sie Ihr Boot festgemacht haben, müssen Sie als erstes nach Hause fahren, um den Wiesbaden-Brief zu verstecken.
Immerhin ist damit zu rechnen, daß die Polizei die CARABELA von oben bis unten durchsucht.«
»Geht in Ordnung.«
»Aber Ihre Frau darf den Brief nicht sehen!«
»Tut sie auch nicht.«
»Und wenn jemand mitkriegt, daß Sie nicht direkt zur Polizei, sondern erst nach Hause gefahren sind, und man Sie nach dem Grund für diesen Abstecher fragt, was sagen Sie dann?«
Foreman überlegte einen Moment, und dann antwortete er:
»Ich war einfach fertig, war am Zusammenbrechen, wollte die Geschichte erst mal meiner Frau erzählen, und die mußte mich wieder ins Lot bringen. Also werde ich ihr die Sache auch wirklich erzählen und mich von ihr mit einem starken Kaffee wieder aufmöbeln lassen, denn falls ich so eine Erklärung abgebe, fragt man ja vielleicht auch sie.«
»Howard, Sie haben Ihr Geld wirklich verdient!«
Als viereinhalb Stunden später James Hamilton auf dem Flughafen von Cozumel in eine Maschine der MEXICAN AIR stieg, um in die Hauptstadt zu fliegen, ging es schon auf den Abend zu. Die Perücke war verschwunden, die Augen waren wieder von graublauer Farbe, und sogar ein kleiner aufgeklebter Kinnbart zierte den Herrn der Madrugada.
Nach dem Start lehnte er sich in seinen Sessel zurück, schloß die Augen. Howard Foreman, dachte er, wird seine Sache gut machen. Er hat seine Fähigkeiten mehrfach unter Beweis gestellt. Durch ihn wird mir kein Schaden entstehen. Die beträchtlichen Summen, die unter falschem Absender und von wechselnden Poststationen aus noch zehn Jahre lang auf sein Konto überwiesen werden, halten ihn bestimmt davon ab, sein Geheimnis je preiszugeben. Sollte ihn aber doch irgendwann der Teufel reiten, und er meint, er könnte mich erpressen: Es geht nicht! Für ihn existiert keinerlei Verbindung zwischen Eberhard Leuffen und James Hamilton. Er kennt weder die Madrugada noch das MUNDIAL-Office, noch weiß er überhaupt, daß ich in Mexiko lebe. Für ihn bin ich ein Deutscher, der in die USA geflüchtet ist und, um die Behörden zu täuschen, in Cancún seinen Tod inszeniert hat. Also, eine Schwachstelle ist er bestimmt nicht, eher ein stützender Pfeiler in meinem Lügengebäude. Da ist Luise schon gefährlicher, aber zum Glück sind ihr die Hände gebunden. Außerdem, sie wird an meinen Tod glauben, weil es den Film gibt und weil sie in meiner Hinterlassenschaft meinen Talisman findet, von dem ich ihr mal gesagt hab’, ehe ich den aufgäbe, würde ich lieber mich selbst aufgeben. Sie weiß, daß ich keinen Tag, keine Stunde ohne ihn war, es sei denn, ich schlief, und er steckte in meinem Anzug. Ja, auch sie wird davon ausgehen, daß ich tot bin. Rein theoretisch könnte das natürlich dazu führen, daß sie doch plaudert, weil es mir ja nicht mehr schaden würde. Aber dagegen bin ich gleich zweimal abgesichert. Erstens müßte sie dann ihren früheren Aussagen widersprechen, und das hätte zur Folge, daß sie die Kripo aufs neue an den Hals bekommt. Folglich wird sie auch nach meinem Tod kein Wort über ihren Kontakt zur MUNDIAL-Agentur verlieren. Zweitens: Schon bald wird es die MUNDIAL gar nicht mehr geben. Sie hat ausgedient. Gregorio und Miranda verlassen die Hauptstadt, gehen nach Zihuatanejo, bauen sich da etwas auf und werden, wie Howard Foreman, noch zehn Jahre lang von mir unterstützt. Klar, das alles kostet Geld, aber wer zweihundertachtzig Millionen Dollar auf der hohen Kante hat, kann für die eigene Sicherheit gern ein paar hunderttausend ausgeben. Fazit: Luise wird keinen Ärger machen! Und was ist mit Kapitän Nielson und seinem Funker? Auch bei ihnen hab’ ich keine Sorge. Die Illustrierten-Serie mit dem albernen Preisausschreiben wird die beiden wohl kaum zum Reden bringen, weil sie ganz genau wissen, daß sie dann hinter Gitter kämen.
Sollte aber wider Erwarten Reue sie überfallen und ihre Zungen lösen, würde jede Recherche in Veracruz steckenbleiben.
Er ließ sich von der Stewardeß einen Scotch bringen, trank einen Schluck, sah aus dem Fenster, aber weder das weiße Wolkengebirge, das sie überflogen,
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