1991 Atlantik Transfer (SM)
der Beutel noch das Messer zu sehen sind. Ich werde mir das dicke Kissen in die Badehose schieben, auf 'n Arsch, und das Messer halte ich im Mund, zusammengeklappt natürlich, und Sie filmen mich von vorn. Dann machen Sie den Schwenk zum Horizont. Derweil nehme ich das Messer aus dem Mund, öffne es, halte es aber unter Wasser. Sie schwenken auf mich zurück und behalten diese Einstellung bis zum Schluß bei.«
»Geht klar! Ich hab’ das alles schon gestern abend begriffen.
Aber Sie dürfen auch keinen Mist machen, zum Beispiel nicht den Beutel zurechtrücken wie ’n Korsett, das schief sitzt, oder zu spät mit dem Schreien anfangen.«
»Ich kann meine Rolle, hab’ sie in Gedanken hundertmal gespielt. Also los! Erst mal ohne.«
Außer dem Bungalow hatten sie auch schon die vier Fische auf dem Film, und zwar deren ganzen Weg vom Einholen der Schnur bis zum Gezappel in der Wanne. Mal hatte Leuffen aufgenommen, mal Foreman. Auch das Auslaufen in Cancún war festgehalten, ebenso der Junge, der die Leinen losgemacht hatte.
Nun filmte Foreman seinen Kunden, wie er sich, noch ohne das belastende Beiwerk, in seiner weißen Badehose an Deck erging.
Er sorgte dafür, daß er dabei kein Stück Land vor die Linse bekam. Auch ein paar Worte wurden gespeichert:
»Ich schwimme mal eben rüber nach Kuba; sind ja bloß hundertfünfzig Meilen«, sagte Leuffen.
Foremans Antwort kam, wenn auch ohne Bild, ebenso aufs Band: »Ich hab’ Sie gewarnt. Aber wenn Sie hinkommen, dann grüßen Sie meine Tante Celia in Pinar del Rio!«
Jetzt ging Leuffen zum Heck, kletterte über die kleine Leiter ins Wasser und begann zu schwimmen. Und Foreman filmte. Auch die Zurufe wurden festgehalten, so Leuffens Begeisterung über das erfrischende Bad und Foremans Mahnung: »Nicht zu weit weg vom Boot!«
Dann kam die Drehpause. Leuffen stieg an Bord, verstaute den Beutel hinter seinem Rücken, schnürte noch einmal das Band der Badehose, nahm das Federmesser in den Mund und ging erneut ins Wasser, hielt sich längsseits. Als er einige Meter entfernt war, drehte er sich zu Foreman um, hob die Hand und senkte sie wieder. Die Kamera begann zu surren. Da er das Messer im Mund hatte, unterblieben nun seine Zurufe. Beide, Kameramann und Darsteller, hatten die Regie im Kopf, und so schwenkte Foreman, nachdem er etwa eine halbe Minute lang Leuffen von vorn aufgenommen hatte, die Kamera von ihm weg übers Wasser und langsam wieder zurück. In diesen wenigen Sekunden hatte Leuffen das Messer aus dem Mund genommen und aufgeklappt, und als die Kamera dann erneut auf ihn gerichtet war, hatte er die Hände unter Wasser, hielt sich durch Treten oben und lächelte in die Linse, wie kein Urlauber zufriedener hätte lächeln können.
Aber plötzlich schrie er auf, schlug mit den Armen um sich und nutzte die Turbulenz seiner Bewegungen für einen raschen, hinter seinem Rücken geführten Schnitt in den Beutel, ließ das Messer los, griff hinter sich, so, als wäre er dort gepackt worden. Dabei drückte er das Schweineblut aus dem Beutel. Während des ganzen Manövers schrie er wie in äußerster Panik und führte im Wasser einen wahren Hexentanz auf, und dann kamen Worte: »Ein Hai! Ein Hai! Bitte, Howard, hilf mir! Mein Bein! Hilfe!«
Blutschwaden stiegen nach oben und mischten sich mit dem Blaugrün des Wassers.
»Hilfe! Hilfe!« Mit diesen schrillen Schreien ging das Theater zu Ende. Leuffen sah, daß Foreman die Kamera abgelegt hatte. Er kam an Bord, befreite sich von dem nun schlaffen Beutel und von seiner Badehose. Foreman gab ihm ein Handtuch. Als er sich abgetrocknet hatte, warf er beides ins Wasser.
Er zog sich die für die Rückreise mitgebrachte Kleidung an, und dann war es für ihn das Wichtigste, den ganzen Film, von den Hotelaufnahmen bis zum Beginn seines Todeskampfes, zu überprüfen. Da dieser Test nur die kleinen Schwarzweißaufnahmen bot, war die volle Wirkung natürlich nicht da, aber er war zufrieden, vor allem, als er seinen weit aufgerissenen Mund, seine wilden Bewegungen und das aufsteigende Blut sah. Auch das abrupte Ende entsprach ganz seinen Vorstellung.
»Es ist phantastisch!« sagte er. »Wenn ich noch am Leben wäre, würde ich Sie für den Oscar vorschlagen.«
Foreman hatte zwei Cuba libres bereitgestellt. Sie tranken einander zu wie ein Film-Team, das den Abschluß der Dreharbeiten feiert.
Wenig später lichteten sie die Anker und fuhren mit Höchstgeschwindigkeit ins offene Meer hinaus und dann auf Cozumel zu, jene Insel, an deren
Weitere Kostenlose Bücher