1991 Atlantik Transfer (SM)
zahlenden Passagier nichts einzuwenden gehabt. Die Angelegenheit war den üblichen Weg gegangen; die Reederei hatte die MORTON GREEN COMPANY, ihre Maklerfirma in Philadelphia, benachrichtigt, und „ dort sollte Thaden seine Reisedokumente abholen. Nielson würde es also nicht mit einer Bitte zu tun haben, sondern mit einer Order, ob sie ihm nun genehm war oder nicht.
Am Flughafen nahm Jacob Thaden ein Taxi. Er fuhr sofort zum Maklerbüro, traf dort, weil es schon spät war, nur noch einen einzigen Angestellten an, der zwar die Papiere für ihn bereithielt, dazu aber auch, wie er sich ausdrückte, very bad news.
Mein Gott, dachte Thaden, nun hat man die CAPRICHO-Crew womöglich schon wieder beim Schmuggeln erwischt! Doch es war etwas anderes. Das Schiff war mit dem Beladen früher als erwartet fertig geworden und hatte am späten Nachmittag Philadelphia verlassen. Er reagierte verärgert, mußte sich aber sagen lassen, daß es in der wilden Trampfahrt keine festen Fahrpläne gebe; der Preis für nur eine Stunde Verzögerung übersteige die Einnahmen aus einer Passage bei weitem, und daher könne auf Fahrgäste nicht gewartet werden. Der Angestellte las ihm sogar den entsprechenden Paragraphen in den Reisebestimmungen vor.
»Und was nun?« fragte Thaden.
»Sie haben Glück im Unglück! Die CAPRICHO geht nicht direkt nach Veracruz, sondern nimmt vorher noch Fracht in Norfolk auf, und diesen Hafen rechtzeitig zu erreichen dürfte für Sie kein Problem sein. Ich guck’ mal nach, welches Flugzeug Sie nehmen können.« Er schlug in einem Plan nach, aber dann sagte er: »Tut mir leid, die letzte Maschine, es ist eine der US-AIR, geht in einer Viertelstunde, und das schaffen Sie natürlich nicht.«
»Vielleicht hat sie Verspätung«, sagte Thaden.
Der Mann griff zum Telefon, fragte beim Flughafen an, lauschte, bedankte sich, legte den Hörer wieder auf und sagte:
»Der Flug ist schon aufgerufen; aber schließlich ist das nicht die einzige Möglichkeit, nach Norfolk zu kommen. Mit einer Nachtfahrt im GREYHOUND-Bus geht es auch.« Wieder sah der freundliche, noch sehr junge Amerikaner in seinem Plan nach.
»Ja, es gibt eine Verbindung über Washington und Richmond. Dann wären Sie um sechs Uhr in Norfolk.« »Und wann läuft die CAPRICHO ein?«
»Morgen mittag gegen eins. Aber sie fährt noch am selben Tag weiter.«
»An welchem Kai finde ich sie?«
»Das schreibe ich Ihnen besser auf.« Er notierte einen Namen und eine Zahl und schob den Zettel über den Schreibtisch. »Sie könnten allerdings auch in ein Hotel gehen und morgen die erste Maschine nehmen.«
Thaden, der nach den Erfahrungen von New Orleans und dieser neuerlichen Panne mittlerweile auf alle nur denkbaren Querschläger eingestellt war, antwortete:
»Ich nehme lieber den Bus. Womöglich gibt’s Frühnebel, und die Maschine startet nicht.«
Das Telefon läutete. Der Mann nahm den Hörer ab und führte dann ein längeres Gespräch, in dem es um ein Schiff im St.-Lorenz-Golf zu gehen schien, dessen Ladung verrutscht war.
Thaden freute sich, daß er mit dem Englischen wieder ganz gut zurechtkam. Er hatte in letzter Zeit so manche Stunde über seinen alten Lehrbüchern verbracht.
Er hörte noch eine Weile zu, und dann fragte er sich, ob er mit seinen Nachforschungen nicht doch schon in dieser Agentur beginnen sollte. Immerhin stand sie mit der Reederei der CAPRICHO in geschäftlicher Verbindung. Er hatte sich diese Frage bereits zu Hause gestellt und auch mit Wulf Maibohm darüber gesprochen, der aber zu dem Schluß gekommen war:
»Nur mal angenommen, die CAPRICHO hat den Notruf der MELLUM ignoriert, weil sie in Eile war, und die Agentur hatte irgendwie mit dieser Eile zu tun, was ja bei einem Frachtkontor so abwegig nicht wäre, und nun horchst du die Leute aus, bevor du an Bord gehst, dann werden die den Kapitän darüber informieren, und damit haben wir unsere Trümpfe von vornherein verspielt.«
Das Argument hatte ihm eingeleuchtet, und nach einigem Überlegen sagte er sich auch jetzt wieder, daß der Freund recht hatte. Aber ein paar allgemeine Fragen zur Reise durfte er ja wohl stellen; die gehörten zur üblichen Neugier eines Passagiers, und so wollte er, als das Telefongespräch beendet war, wissen:
»Was für ein Schiff ist die CAPRICHO eigentlich?«
»Also, ein Luxus-Liner ist sie nicht gerade; eben ein Frachtschiff.«
»Gibt es ein Schwimmbad an Bord?«
»Nein.«
»Und der Kapitän? Ist er ein …«, er kannte das englische Wort für
Weitere Kostenlose Bücher