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1991 - Mhogenas Entscheidung

Titel: 1991 - Mhogenas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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verschmolzen noch verheilt. Zahlreiche Risse von mehreren Zentimetern Breite klafften in dem Körper, rohes Fleisch, das sich zu sträuben schien, mit Metall zu verwachsen, oder ganz einfach nicht dazu imstande war.
    Während ich den Meister des Grauen Sandes betrachtete, schien sein Körper transluzent zu werden, sich einfach zu verflüchtigen. Einen Moment lang war er nicht mehr als ein immaterieller Schemen, eine Erinnerung, der Hauch einer Existenz.
    Mhogena atmete sichtlich tief durch. „Ich bin nicht Bothago", sagte er. „Ich bin auch nicht Magredu.
    Ich bin Mhogena."
    Wie alt ist Deckeera? durchzuckte es mich. Magredu war der erste Thoregon-Bote aus dem Volk der Gharrer! Sind diese ersten Meister des Grauen Sandes nicht gestorben und durch andere ersetzt worden?
    „Wer bist du?" fragte der lebende Tote. „Erwermel?"
    „Mhogena." Der Fünfte Bote sah mich an. Ich wußte, was er sagen wollte: Sein Geist hat noch nicht zum Körper zurückgefunden. Wird nie mehr in ihn zurückfinden. Hat sich in seinen Erinnerungen verloren.
    Erinnerungen...
    Manche quälten mich zutiefst. Wie hieß sie, die Vorzeitfrau auf Larsaf III, deren Tod mich zu einem lauten, gellenden Schrei veranlaßt hatte? Wie genau hatte ich Mirona Thetin getötet? Den Narren, die mein photographisches Gedächtnis für einen Segen hielten, hatte ich nie erklären können, daß es manchmal ein Fluch war. Sie würden es nie begreifen können.
    Diese Erinnerung, das Bild dieses lebenden Toten, würde mich nie verlassen. Das Grauen würde ewig bei mir bleiben. Und ich fragte mich, welche Erinnerungen Deckeera heimsuchten.
    „Wir müssen die Versiegelung aufheben", sagte Mhogena.
    „Schon wieder? Eine neue Prüfung? Wie viele neue Meister des Grauen Sandes hat es gegeben?
    Welches Jahr schreiben wir? Wie geht es meiner Frau? Sie war viel jünger als ich. Und meinem Lhapso?
    Er war nur ein Tier, aber das Licht meines Lebens. Botagho, sag mir, worauf habe ich verzichtet? Was habe ich mir angetan, indem ich um so vieles länger lebte als all die, die um mich herum waren? Wie kann ich damit existieren, mich nur noch an sie zu erinnern? Die Erinnerungen bescheren mir keine Freude, Erwermel. Ich habe Dinge getan, die ich heute nie mehr tun würde. Aber weißt du im vorhinein, ob alle Entscheidungen, die du triffst, richtig sind? Meine Existenz macht mir keine Freude mehr, Erwermel..."
    „Mhogena", stöhnte der Fünfte Bote gequält.
    „Ich werde das Zekrath informieren, Botagho. Die sanften Stimmen der zwölf anderen, die mit meiner Stimme verschmelzen und das Eins bilden. Obwohl ich es nicht will. Immer wenn ein neuer Meister des Grauen Sandes initiiert wird, droht ihm dasselbe Schicksal wie mir. Das möchte ich keinem zumuten.
    Wenn du wüßtest, was wir alles hören, Magredu..."
    Der Fünfte Bote schien laut aufschreien zu wollen. Er sprach zurückhaltend; normalerweise mußte man ihm jedes Wort aus der Nase ziehen. Nun gut, wenn er einmal in Schwung gekommen war, fand er kein Ende mehr. Aber ich ahnte, was jetzt in ihm vorging. Und daß ich, ausgerechnet ich, Zeuge dieses Vorgangs wurde...
    „Grüße das Zekrath von mir", sagte Mhogena. „Den sanften Stimmen gilt die ewige Dankbarkeit und Verehrung aller Meister des Sandes, all eurer Nachkommen im Geiste."
    Eine Abschiedsformel; die Kristallscheibe schloß sich langsam über die Kryokammer. Unwillkürlich atmete ich erleichtert auf.
    Deckeeras Körper schien sich aufzubäumen, wurde nur noch von den Schläuchen, Röhren und metallenen Klammern auf dem Boden der Kammer gehalten. Der lebende Tote hob den rechten, zur knochenlosen Hand hin trichterförmig zulaufenden Arm, packte in die Luft, krallte die sechs hochelastischen, sehr beweglichen, feinfühligen und doch enorm starken Finger zusammen. Es hatte den Anschein, als wolle er nach Mhogena greifen, um sich an ihm festzuhalten und ihn anzuflehen, seinem Leben endlich ein Ende zu bereiten. Dann glättete sich sein Gesicht wieder, als habe die Verantwortung, die er freiwillig auf sich genommen hatte, ihn wieder eingeholt, als füge er sich in sein Schicksal, weil er es keinem anderen zumuten konnte. Denn wenn er starb, seine Aufgabe nicht mehr erfüllen konnte, würde ein anderer an seine Stelle treten müssen.
    Als der Deckel sich endgültig über dem Sarg schloß, kratzte das Weltall nicht mehr an der Station, es schlug dagegen an und stieß einen Schrei aus, den man wohl noch in Andromeda hören konnte.
    Mhogena sah mich an. „Verstehst du es

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