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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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auf eine völlig neue Situation vorherzusagen, doch kennt man mit Sicherheit ein paar Varianten, die entfallen, und zu denen gehört nun mal die Fähigkeit, einen Menschen umzubringen. So was weiß man. Da braucht es vorher keine Bewährungsprobe gegeben zu haben. Und ich weiß, daß Olaf nicht töten kann. Moment, ich muß das korrigieren! Wenn einer nachts hier eindringt und uns bedroht, dann – ich hab’ keinen Zweifel daran – könnte Olaf ihn mit einem Feuerhaken oder mit einem Beil angreifen und dabei in Kauf nehmen, daß er ihn vielleicht erschlägt. Aber das ist, wie du zugeben wirst, etwas anderes als ein sorgfältig geplantes Verbrechen aus Gewinnsucht.«
    John nickte. »Ein tolles Plädoyer für deinen Mann! Ich hatte mir vorgenommen, euch heute abend nicht zu verlassen, ohne erfahren zu haben, wo er sich aufhält, denn in den Reedereien ist die Situation mittlerweile unerträglich geworden. Kein Mensch weiß, woran er ist. Die Schiffe fahren zwar, aber die Kapitäne und ihre Männer fragen sich, ob die beiden Theunissens ihren Kampf vom Schreibtisch aufs offene Meer verlegt haben und sich bei der Wahl ihrer Waffen nicht mehr aufs Know-how beschränken, sondern auch TNT und Dynamit einschließen. Eine ähnliche Stimmung herrscht bei unseren Leuten, die an Land arbeiten.« Er stand auf. »Aber ich fürchte, ihr werdet mir seinen Unterschlupf nicht verraten.«
    »Da fürchtest du richtig«, antwortete Jacob. »Wir halten es nach wie vor für möglich, daß er nicht mehr am Leben ist.« John verabschiedete sich, gab beiden die Hand. »Aber das ist versprochen. Beobachtung findet nicht mehr statt.«
    »Sie war ein bißchen lästig«, sagte darauf Jenny, »aber ernsthaft geschadet hat sie uns nicht.« John ging.
Als die beiden den PORSCHE vom Grundstück fahren hörten, setzten sie sich zu einem zweiten Kognak an den Tisch. »Der Mann ist ein glänzender Schauspieler«, sagte Jacob, »und wahrscheinlich noch durchtriebener, als wir dachten. Aber wir haben’s ja gehört. Fähigkeiten, die jahrelang unentdeckt geblieben sind, treten plötzlich zutage, nur weil eine neue Situation da ist. Der Wettbewerb hat ihn nicht nur skrupellos gemacht, sondern ihn auch befähigt, diese Eigenschaft eindrucksvoll zu kaschieren.«
»Ich glaub’, du hast recht.« Jenny ging zum Radio, suchte nach Musik und stellte sie überlaut ein, kehrte zum Tisch zurück. »So, und jetzt erzähl’ mir von Vater! Ich saß die ganze Zeit wie auf Kohlen.«

34
    Sie hatten sich frühzeitig abfertigen lassen. Danach waren Federico und Ernesto wieder gegangen, um den Leihwagen zurückzugeben, und Olaf hatte sich ins Flughafenrestaurant gesetzt, trank dort einen Kaffee. Es war siebzehn Uhr zwanzig. Bis zum Abflug blieben noch knapp zwei Stunden. Alejandra Alonso wollte um achtzehn Uhr kommen. Am Vorabend hatte Federico mit ihr telefoniert und dabei auch von ihrem etwas problematischen Abschiedsbesuch in der Redaktion erfahren. Ihre Urlaubspläne waren dort mit Mißfallen aufgenommen worden, weil es gerade mehrere Krankmeldungen gegeben hatte, und so war ihr nichts anderes übriggeblieben, als doch ein paar Andeutungen zu machen. Sie hatte dem Chefredakteur, einem Herrn Olivera, mitgeteilt, in Wirklichkeit breche sie auf zu einer ganz besonderen Mission, die der Zeitung eine sensationelle Story einbringen werde, aber mehr könne sie darüber noch nicht sagen. Olivera hatte schließlich zugestimmt. Ob der Mann das Reiseziel kenne, hatte Federico dann noch wissen wollen, und darauf hatte sie geantwortet: »Nein, ich hab’ ihm nur gesagt, daß es nicht Bariloche ist. Für alle anderen aber bleibt es beim Ski-Urlaub dort.« Auf jeden Fall eine tüchtige Frau, dachte Olaf, und vielleicht ist es sogar ein Vorteil, daß sie zu uns gestoßen ist. Er hatte nun drei junge Leute bei sich, die sich fließend auf spanisch, deutsch und englisch verständigen konnten. Wie wichtig es war, die Sprache eines Landes, in dem man einen komplizierten Sachverhalt ergründen wollte, zu beherrschen, hatte sich in den letzten Tagen mehrfach erwiesen. Ohne seine Helfer hätte er in Chile nicht viel bestellen können. Schon das erste Gespräch, das mit dem Methusalem von Curacavi, hätte nicht stattgefunden, und also hätte es die Spur in den Süden nicht gegeben. Einem Umberto Flores wäre er nie begegnet, hatte dessen Bericht von der wilden Schwedin nicht gehört und den Monte Osorno nicht bestiegen. Und wer außer Hilario Gutiérrez hatte ihm von den Schrotthändlern

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