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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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wer den Wettkampf gewinnt. Wir waren doch gut im Geschäft mit unserem Holz, sind es auch jetzt. Warum muß unbedingt eine Reederei dazukommen? Er verließ den Platz, erreichte die Kreuzung, an der Kohlmarkt, Schmiedestraße, Holstenstraße und Schüsselbuden aufeinandertrafen, hatte linker Hand die Petrikirche und ging nun auf das Holstentor zu, las die Inschrift Concordia domi foris pax und dachte natürlich sofort daran, daß es, jedenfalls bei den Theunissens, mit Eintracht und Frieden nicht weit her war. Den Wagen hatte er in der Nähe des LYSIA-Hotels abgestellt. Als er einstieg, war es kurz nach acht Uhr. Er fuhr zunächst in Richtung Lindenplatz, dann durch die Fackenburger Allee und war wenig später auf der Autobahn.
    Weihnachten kam ihm in den Sinn, das sie zum erstenmal ohne den Vater feiern würden, es sei denn, er käme in den nächsten Tagen zurück, womit aber nicht zu rechnen war. Und überhaupt, fragte er sich, was passiert eigentlich, wenn er hier auftaucht, ohne daß der Fall geklärt ist? Dann buchtet man ihn bestimmt wieder ein. Er erschrak über sich selbst, fand es unpassend, im Zusammenhang mit seinem Vater einen so derben Ausdruck wie einbuchten zu verwenden, und sei es auch nur in Gedanken, aber gleich darauf hielt er seine Wortwahl für angemessen, denn die Ruppigen waren ja die anderen. Noch einmal dachte er an Hanna und daran, daß sie immer hübscher wurde. Doch sogleich schob ihre Mutter sich vor, nackt und zügellos. Anders als geplant, hatte er dem Vater schon am Telefon erzählt, wie er die Verfolgungsposse umgedreht und sich dem PORSCHE ans Heck geheftet hatte, und dabei auch den Langhaarigen beschrieben und den Namen Robert Kastner erwähnt. »Kastner?« hatte der Vater gefragt. »Ist das der Autohändler?«
    »Das weiß ich nicht«, war seine Antwort gewesen, »aber ich werde im Telefonbuch nachsehen.« Ob wir Weihnachten diesmal einfach ausfallen lassen? Wär’ das beste, meine ich. Wem ist unter diesen Umständen schon nach Kerzenschein und Gänsebraten zumute!
    Er war zügig vorangekommen, hatte seine Straße erreicht und kontrollierte die links und rechts geparkten Autos. Ein Späher war nirgendwo zu entdecken. Vielleicht hat Hanna ihren Eltern den Schwachsinn endlich ausreden können, dachte er, bog in die Auffahrt ein und wäre dem roten PORSCHE fast ins Heck gesaust.
    Jetzt also sogar schon auf unserem Grundstück! Doch der Wagen war leer, und das konnte nur heißen, jemand aus Johns Familie war drinnen. Wieso denn das? Er schloß auf, rief in die Diele: »Ich bin’s!« Die Mutter kam aus dem Wohnzimmer und empfing ihn mit den Worten: »Wie schön, daß du zurück bist! Onkel John ist hier.«
    Er begrüßte den so unerwarteten Gast und setzte sich, sagte dann: »Das ist wirklich eine Überraschung.«
    »Im Grunde bin ich selbst erstaunt darüber«, antwortete John, »daß ich plötzlich das Bedürfnis hatte, mit euch zu reden.«
    »Die Beobachtung von der Straße aus genügt also nicht mehr?« fragte Jacob. »Die Posten müssen noch weiter vorgeschoben werden, am besten bis ins Haus?«
    »Glaub mir, Jacob, es ist ganz anders. Carsten und Hanna haben mir klargemacht, daß damit jetzt Schluß sein muß.«
    »Na endlich! Und wie denkt deine Frau darüber?« »Sie hätte gern weitergemacht.« Armer Onkel John, dachte Jacob, aber er sagte: »Und ihr habt euch also durchgesetzt.«
»Natürlich. Drei gegen eine.«
Jenny mischte sich ein: »Nun frag’ ich dich doch noch einmal. Möchtest du wirklich nichts trinken?«
»Na gut, einen Kognak vielleicht.«
»Und du, Jacob? Sag mal, hast du überhaupt zu Abend gegessen?«
»Nein, aber ich hab’ keinen Hunger. Ich nehm’ auch einen Kognak.« Er holte die Flasche und drei Gläser und schenkte ein. Nachdem sie den ersten Schluck getrunken hatten, sagte John, und er sprach langsam, fast bedächtig:
    »Mein Besuch bei euch kommt mir, wie gesagt, selbst etwas sonderbar vor. Man könnte meinen, ich sei der Abgesandte der einen Seite, der mit der anderen einen Frieden aushandeln soll. Aber so ist es nicht. Wir führen ja auch gar keinen richtigen Krieg, sondern sind nur alle miteinander Opfer von Spannungen, die sich aus dem Testament ergeben haben. Ja, und die Probleme, die diese Spannungen dann extrem vergrößerten, sind immer noch da, der Schiffsuntergang, die beiden Toten, der Versicherungsbetrug, Olafs Verschwinden …«, er machte eine Pause, und die nutzte Jacob sofort:
    »Bitte, red’ Klartext! Und begreif endlich. Wir glauben

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