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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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felsenfest daran, daß der Versicherungsbetrug meinem Vater untergeschoben werden sollte, und sehen außer dir weit und breit niemanden, der daran ein Interesse haben könnte.« Es schien John die Sprache zu verschlagen. Er saß da, den Mund halb geöffnet, die Augen verengt, als hätte er größte Schwierigkeiten, das soeben Gehörte zu fassen, und dieser Ausdruck nackten Entsetzens wirkte sowohl auf Jenny als auch auf Jacob überaus verwirrend.
    »Ihr seid ja total verrückt!« stieß John schließlich aus. »Aber nein«, sagte Jenny, und sie sprach sogar mit Wärme im Tonfall. »Versteh’ doch. Wir wissen, daß Olaf mit der Geschichte nichts zu tun hat, und was bleibt dann noch an Möglichkeiten? Außerfamiliär gäbe es nur die, daß jemand das Kupfer gestohlen und dann das Schiff versenkt hat, um Nachforschungen zu vereiteln. Aber dagegen spricht die geringe Wassertiefe.«
    »Darum glauben wir nicht an Diebstahl«, ergänzte Jacob, »sondern an eine generalstabsmäßig aufgezogene Operation mit dem Ziel, Vater aus dem Rennen zu werfen.« John fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. »Das ist doch …, ist doch absurd! Ich schwöre euch, ich war es nicht! Olaf muß …«, er verstummte, schüttelte den Kopf, murmelte schließlich: »Olaf muß auch euch hinters Licht geführt haben.« Jacob wollte aufspringen, doch Jenny beugte sich zu ihm hinüber, legte ihm mit einer energischen Bewegung die Hand aufs Knie und sagte: »Bleib ruhig! Bitte, bleib ruhig!« Und er nahm sich zusammen. Man sah förmlich den Bremsvorgang, das Eindämmen der physischen Reaktion. Er zog seine Hände ganz dicht an den Körper heran, faltete sie sogar, als gälte es, die eine mit Hilfe der anderen am Losschlagen zu hindern, und auch seine Worte klangen beherrscht: »Was du da sagst, ist ungeheuerlich!«
    »Glaub mir«, erwiderte John, »ich versteh’ deine Erregung! Aber ihr müßt auch mich verstehen. Immerhin habt ihr gesagt, daß ihr mich für schuldig haltet. Ja, und wenn nur zwei Täter in Frage kommen, ich jedoch entfalle, dann kann ich noch soviel Takt und Familiensinn in mir mobilisieren, ich komme einfach nicht umhin, den anderen für schuldig zu halten. Das ist ein ganz unkomplizierter Fall von Logik. Klar, ihr habt leider das Handikap, nicht zu wissen, daß ich es nicht war. Also seid auch ihr in der Zwangslage, euch an den anderen zu halten, und das macht unser Gespräch schwierig. Bitte, versucht trotzdem, versucht es ein einziges Mal, euch vorzustellen, ich sei nicht der Täter. Hämmert es für ein, zwei Sekunden in eure Köpfe und fragt euch. Wer ist es dann? Bei wem landet ihr unweigerlich? Bei Olaf!«
    Nach diesen Worten war es lange still. Jenny saß sehr nachdenklich da, sah erst John, dann ihren Sohn an, dem es gelungen war, einen zweiten Impuls zum Ausbruch gar nicht erst entstehen zu lassen. Er war sogar bereit, Johns Vorschlag zu forcierter Einbildung, ja, zur gewaltsamen Implantation eines abwegigen Gedankens ins eigene Gehirn zu folgen, und sagte denn auch: »Okay, ich red’ es mir ein, du bist nicht der Täter. Wirklich, Onkel John, ich geh’ jetzt strikt von der Annahme aus, du hast mit der Sache nichts zu tun. Nur lande ich dann nicht bei meinem Vater, sondern bei dem Diebstahl, über den wir vorhin gesprochen haben und bei dem kein Theunissen seine Hand im Spiel hat. Auch nur für einen Moment meinen Vater in der Rolle des Schuldigen zu sehen ist für mich so undenkbar wie …, wie … davon auszugehen, daß die Erde ein Würfel ist.«
    »Genauso ist es für mich«, erklärte Jenny. »Das gibt es einfach nicht, daß man sich nach fünfundzwanzig Jahren Ehe in seinem Mann so irrt.«
    »Klar«, sagte John, »man glaubt den anderen zu kennen. Aber dann tritt plötzlich etwas ein, was es vorher nicht gegeben hat, in unserem Fall der Wettkampf um das gewaltige Erbe. Der ist beispiellos, im wahrsten Sinne des Wortes, denn während der ganzen fünfundzwanzig Jahre hat es nichts gegeben, womit er zu vergleichen wäre. Jemand kann ein Dieb sein, ohne je gestohlen zu haben. Er war eben noch nie in Versuchung, und folglich gab es keine Bewährung. Verstehst du, was ich meine? Eine drastisch veränderte Lage kann einen Menschen drastisch verändern, und da spielt es dann keine Rolle, ob man ihn schon seit einem Vierteljahrhundert kennt oder erst seit einem Monat.«
    »Ja«, antwortete Jenny, »das klingt logisch, ist es aber nicht. Im einzelnen mag man danebentippen, wenn es darum geht, die Reaktion des Partners

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