1992 Das Theunissen-Testament (SM)
schwarzen nach oben. Er wechselte sie aus, so daß der weiße nach oben kam. ›So müssen sie liegen, dann stimmt es!‹ sagte er. Aber warum sie so liegen mußten, das hat er nicht verraten.« Trotz weiteren Befragens war mehr aus dem Alten nicht herauszuholen, aber sie waren mit dem Ergebnis zufrieden, bedankten sich, gaben ihm die Hand, ließen der Tochter Dank für den Apfelwein sagen, gingen aus dem Haus, stiegen in ihr Auto und machten sich auf den Weg nach Valparaiso. Während der Fahrt sprachen sie noch lange über ihren Besuch bei José Porfirio Bahamondes, fragten sich aber auch, wie glaubwürdig er wohl sei. »Ich vertraue ihm«, sagte Ernesto, und Federico meinte: »Ja, er hat bestimmt die Wahrheit gesagt, aber ich bezweifle, ob man sie auch ihm immer gesagt hat. Mir scheint, Carlos Gutiérrez ist tiefer in die Geschichte verwickelt, als er den alten Mann wissen ließ. Sonst wäre er nicht verschwunden.«
»Und hätte an ihr auch nicht so viel Geld verdient«, ergänzte Ernesto. »Diese Tasche ist doch wohl«, er überlegte eine Weile, »na, so an die vierzig mal fünfundzwanzig Zentimeter groß und etwa zehn Zentimeter breit. Wenn es lauter Hunderter waren, könnte durchaus ’ne Viertelmillion drin gewesen sein, und das wäre dann weder ein normaler noch ein außerordentlich günstiger Schrottpreis, sondern ganz was anderes, nämlich Schweigegeld.«
»Oder sein Anteil an dem Fischzug«, sagte Olaf. »Klar, das ist auch möglich. Ich wundere mich nur, daß er einen so alten, wackeligen Mann damit losschickt.«
»Das wundert mich gar nicht«, erklärte Federico. »Er brauchte jemanden, dem er blind vertrauen konnte. Außerdem sah die Tasche genauso abgehalftert und zerknittert aus wie ihr Träger, und so konnte er auch noch ganz sicher sein, daß man den Alten unterwegs nicht beklauen würde.«
»Aber warum ist Hilario nicht nach Curacavi gekommen, um das Geld abzuholen?« fragte Ernesto. »Das wäre doch viel besser gewesen.«
»Vielleicht«, sagte Olaf, »wollten die Brüder das Risiko vermeiden, zusammen gesehen zu werden. Oder Hilario hatte da unten bestimmte Aufgaben zu erledigen. Immerhin stammt der andere Teil der Schiffsladung, das Holz, aus seiner Gegend. Mag auch sein, daß das Geld blitzschnell verschwinden mußte, und den Alten konnte Carlos sofort in Marsch setzen.«
»Was halten Sie denn …«, setzte Federico an, aber Olaf unterbrach ihn: »Nach meiner Meinung sollten wir uns endlich duzen. So ein Job schweißt doch gewaltig zusammen.« Sie machten es kurz, gaben sich die Hand, und Federico begann noch einmal: »Was hältst du denn von der Sache mit den Spielsteinen?«
»Ich kann mir keinen Reim darauf machen«, erwiderte Olaf, »aber wenn die beiden als Kinder so oft Dame gespielt haben, hatte das Spiel für sie wohl auch später noch seine Bedeutung. Dem Alten unverschlüsselt sagen, wo notfalls das Geld liegt, das konnte Hilario nicht. Also mußte ein Code her. Interessant daran finde ich, daß Carlos die Steine sogar noch auswechselte, den schwarzen nach unten und den weißen nach oben legte. Aber was die Steine überhaupt und dann auch noch dieses Detail bedeuten, ich glaub’, das kriegen wir nicht raus.«
»Und was unternehmen wir nun als nächstes?« fragte Ernesto. »Fahren wir in den Süden, oder klemmen wir uns erst mal hinter die Zeitungsleute?«
»Ab in den Süden!« lautete Federicos prompte Erwiderung. »Wir haben eine Spur, und wie mir scheint, keine so schlechte. Solange wir ohne fremde Hilfe auskommen, sollten wir niemanden hinzuziehen, denn das würde ja auch bedeuten, daß wir ihn am Hals haben.«
»Hast recht.« Ernesto drehte sich um. »Und was meinst du?«
»Ich denke auch«, antwortete Olaf, »an den MERCURIO oder die GACETA wenden wir uns erst, wenn es unbedingt sein muß. Was meint ihr, fahren wir mit dem Auto oder fliegen wir?« Wieder einmal zückte Ernesto seine Landkarte, entfaltete sie, fuhr mit dem Finger ein Stück der Panamericana ab und warf dann einen Blick auf den Maßstab. »Na ja, Oslo – Kairo ist es zwar nicht, aber Hamburg – Wien wird es mindestens sein, und ich finde …«, er klopfte ein paarmal auf das Lenkrad, »das müssen wir uns nicht antun.«
Olaf und Federico waren der gleichen Meinung. Allerdings hielten alle drei es für unnötig, ein Flugzeug mitsamt dem Piloten zu chartern. Sie entschlossen sich, gleich nach Ankunft im Hotel bei der LAN oder der LADECO drei Plätze nach Puerto Montt zu buchen, und um sich nicht groß mit Gepäck zu
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