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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Carlotta bewirtet, der Tochter des Alten. Sie hatte einen Krug Chicha aus der Küche geholt und Plastikbecher verteilt. Sie war es auch, die die fünfzig Dollar kassierte, sie wanderten sogleich in ein neben der Marienfigur stehendes Kästchen. Aus dem Nebenraum waren Kinderstimmen zu hören. Hin und wieder ging die Tür auf, und dunkle, neugierige Augen musterten die Tischrunde, verschwanden aber wieder, wenn der Alte wetterte: » Cierran la puerta! « Macht die Tür zu! »Wir kennen noch gar nicht Ihren Namen«, sagte Federico. »José Porfirio Bahamondes, a sus órdenes, Señores! « Dieses »Zu Ihren Diensten, meine Herren!« schnurrte der Alte regelrecht herunter. Nun war es an den dreien, sich vorzustellen. Federico machte es geschickt, nannte Ernesto und seinen eigenen Vornamen und erklärte, ihr Begleiter sei Österreicher und heiße Mohnleitner. Das war ein Name, der dem Alten mit Sicherheit gleich wieder entfallen würde. Ihr Freund, er zeigte dabei auf Olaf, suche nach Carlos Gutiérrez, weil der ihm vor längerer Zeit nach einem Autounfall geholfen habe. Es gehe um eine Zeugenaussage, und daher brauche er den Chilenen dringend, habe damals aber nur die Adresse vom Schrottplatz bekommen. »Wir möchten«, fuhr er fort, »von Ihnen erfahren, wo Carlos Gutiérrez jetzt ist. Heute morgen gaben Sie sich ja etwas geheimnisvoll.«
    »Also, daß ich auf dem Platz nicht reden wollte«, erwiderte der Alte, »hat mit Señor Rodríguez zu tun, meinem neuen Patrón. Er will mich am liebsten los sein und wartet nur auf die Gelegenheit, mir sagen zu können, ich wär’ zu gar nichts mehr nütze. Und wenn er sieht, daß ich mich mit Kunden unterhalte, wirft er mir das hinterher an den Kopf.«
    »Aber hier sind wir ja ungestört«, sagte Federico. » Señor Gutiérrez mochten Sie also lieber als Ihren neuen Patrón? «
    »Auf jeden Fall. Schade, daß er gegangen ist.« Für Olaf war es schwierig, dem Gespräch zu folgen, aber Ernesto übersetzte es ihm in abgekürzter Form. »Warum hat er aufgehört?«
    »Das Geschäft mit den Amerikanern, das war für ihn eine echte Ganga. «
Das Wort Ganga übersetzte Ernesto mit Glücksfall. »Verdiente er daran so viel, daß er sich zur Ruhe setzen konnte?«
»Also, richtig zur Ruhe gesetzt hat er sich wahrscheinlich nicht, aber er ist nach Haus gefahren, nach Puerto Varas. Er ist Junggeselle, und da unten lebt auch sein Bruder.«
»Wieviel Geld war es denn?«
»Etliche tausend Dollar.« Diese drei Worte flüsterte der alte José, aber da Carlotta den Raum verlassen hatte, geschah es wohl eher aus Respekt vor der großen Summe denn aus Vorsicht, daß er so plötzlich die Stimme senkte. Er stand auf, trat an die Kommode, holte aus einer der Schubladen eine abgewetzte Ledertasche hervor und legte sie auf den Tisch. »Diese Tasche«, fuhr er fort und sprach nun wieder mit normaler Lautstärke, »war prall gefüllt mit Dollarscheinen, aber es waren keine Einer und keine Zehner.«
»Sondern?«
»Obenauf lagen jedenfalls Hunderter.«
»Das konnten Sie sehen?«
»Ich kam grad rein, als Señor Gutiérrez das Geld einpackte. Die Tasche kriegte ein Vorhängeschloß.«
»Aber wieso Ihre Tasche? Es ist doch Ihre, oder?«
»Jetzt ja. Also, das kam so. Er wollte, daß das Geld sofort in den Süden ging, zu seinem Bruder Hilario. Er hatte ihn schon angerufen und gesagt, da käme ein Bote mit ’nem Haufen Geld, und er sollte es gut verstecken. Na, und der Bote, der war ich. Und als der Bruder vor meinen Augen das Schloß knackte, sah ich die Hunderter zum zweitenmal. Señor Gutiérrez hat die Bahnfahrt bezahlt, und ich kriegte auch einen guten Botenlohn.«
»Geld bringt man doch eigentlich zur Bank, und wenn man es wegschicken will, schreibt man eine Überweisung aus.«
»Aber damit zeigt man anderen Leuten seine Karten.«
»Da haben Sie recht. Warum sollte das Geld überhaupt in den Süden?«
»Ich glaube, Señor Gutiérrez hatte Angst, hier würde es vielleicht gestohlen. Er selbst konnte nicht reisen, denn er wurde ja bald abgeholt und nach Valparaiso gebracht, wo die Polizei ihn tagelang verhört hat. Oder wissen Sie gar nicht, daß das Schiff mit unserem schönen Schrott untergegangen ist?« Den letzten Satz hatte Olaf verstanden, und so war er zunächst überrascht, als er Federico antworten hörte: »Nein, keine Ahnung.« Doch gleich darauf begriff er, daß es darum ging, eine Darstellung der Ereignisse zu hören, die weder von Ermittlern noch von Journalisten stammte, sondern von einem

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