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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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ob wir Mira, meine Schwester, in der Schule anrufen sollten, es dann aber doch nicht getan, weil sie meistens sehr emotional reagiert, und das mußte ja nicht unbedingt in der Schule passieren. Also warteten wir ab, bis sie kam. Das war gegen eins. Sie war dann natürlich genauso verzweifelt wie wir. Aber schließlich sagten wir uns, Vater würde nicht wollen, daß hier alles hingeworfen wird. Im Gegenteil, er würde wollen, daß wir auch einen solchen Tag in den Griff kriegen, und so bemühten wir uns, trotz alledem die Dinge zu erledigen, die zu erledigen waren. Für mich gehörte dazu ein wichtiger Kundenbesuch in Kiel. Den machte ich dann auch, und …«
»Name, Adresse, Telefonnummer!« Der Einwurf kam ungeduldig und hämmernd und zeigte, daß Ladiges von Gefühlen genug hatte und endlich Fakten wollte.
»Das ist die Firma BRODERSEN & AHLBECK, Schiffszimmerei, Werftstraße. Warten Sie …«, Jacob zog sein Notizbuch hervor, diktierte dem Kommissar die genaue Adresse und auch die Telefonnummer und fuhr dann fort: »Da war ich gut eine Stunde. Es ging um eine größere Lieferung Bauholz, das via Elbe und Nord-OstseeKanal angeliefert werden sollte. Unser Hauptlager liegt ja direkt an der Bille, und da ist es manchmal günstiger, übers Wasser zu transportieren als per Bahn oder Lkw. Es ging um zwei Tage Verzögerung, weil schon feststand, daß wir selbst das Holz verspätet bekommen würden. Ich mußte bei dem Kunden um Verständnis bitten, und das lief auch klar.«
»Weiter! Die Stationen, die Uhrzeiten.« Ladiges wippte mit dem Fuß.
»Halb vier war es etwa, als ich in Kiel losfuhr. Ankunft zu Haus …, ja, so gegen fünf, denn unterwegs hab’ ich noch einen Kaffee getrunken und mit meiner Mutter telefoniert, wollte wissen, ob mein Vater sich gemeldet hatte. Hatte er nicht. So ging, als ich dann zu Haus war, die Sorge weiter. Auch am nächsten Tag, am übernächsten, na ja, bis heute. Wir wissen noch immer nicht, ob er überhaupt noch am Leben ist.« Jacob staunte, denn seiner Mutter gelang es nun sogar, ein paar Tränen über die blassen Wangen zu schicken. »Ich bin sicher«, sagte Ladiges, »er ist am Leben, und ich halte es auch nach wie vor für möglich, sogar für wahrscheinlich, daß er es war, der den Schiffsuntergang herbeigeführt hat, und daß sein Weggang nicht Selbstmord, sondern Flucht bedeutet. Nun zu Ihnen, Frau Theunissen! Fangen wir mit dem Aufstehen an. Wann war das?«
Jenny wischte sich mit dem Taschentuch die Tränen weg. Langsam, ja, fast zögernd begann sie zu sprechen: »Mein Mann ist Frühaufsteher, ist immer schon um sechs Uhr in vollem Gange. An diesem Morgen war das sicher auch so. Aber genau weiß ich’s nicht, denn wir trafen uns erst um halb acht zum gemeinsamen Frühstück.«
»Sie schlafen also getrennt?«
»Nein, aber ich schlafe sehr fest, vor allem morgens.«
»Wie verlief das Frühstück? Merkten Sie ihm irgendwas an?«
»Er war wie immer. Das heißt, natürlich nicht wie früher, aber wie an den Tagen davor.«
»Worüber sprachen Sie?«
»Über seinen Meldetermin, der ja wieder fällig war. Um Viertel vor neun fuhr er los.«
»Kann es sein, daß er auf dieser Fahrt Gepäck weggeschafft hat?«
»Wir gingen zusammen zum Auto, und er hatte nichts bei sich.«
»Können zu diesem Zeitpunkt Gepäckstücke im Kofferraum gelegen haben?«
»Ich hab’ nicht hineingesehen. Theoretisch kann er zwischen sechs und halb acht etwas gepackt und verstaut haben, aber er kam von der Polizei ja mit dem Auto zurück. Wohin hätte er den Koffer also gebracht haben sollen?«
»Na, in ein Schließfach zum Beispiel.«
»Verstehen Sie doch! Da er am frühen Morgen anderthalb Stunden allein war, kann ich nicht sagen. So war es. Oder. So war es nicht.«
»Könnte er bei Freunden untergekrochen sein?« Beide, Mutter und Sohn, schüttelten den Kopf. »Das halte ich«, antwortete dann Jacob, »schon deshalb für ausgeschlossen, weil alle unsere Freunde den Fall kennen und mein Vater von keinem einzigen verlangen würde, ihn bei sich aufzunehmen und den Mund zu halten. So etwas brächte er nicht fertig.«
»Aber wohin könnte er gegangen sein?«
»Weit wohl nicht«, sagte Jenny, »denn ihm ist ja der Paß abgenommen worden.«
Doch für diese Feststellung hatte Ladiges nur ein müdes Lächeln. »Wer genug Geld hat, kann sich jederzeit falsche Papiere besorgen.«
»Sie gehen offenbar von den Leuten aus, mit denen Sie es sonst zu tun haben, von kriminellen Elementen, für die der Kontakt zu Fälschern

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