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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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nichts Besonderes ist. Wie um alles in der Welt sollte mein Mann an solche Menschen kommen?« Die wegwerfende Handbewegung des Kommissars verriet, daß er darüber ganz anders dachte. »Not macht erfinderisch«, antwortete er, »und sie versetzt auch einen Biedermann in die Lage, mit Erfolg nach unkonventionellen Mitteln und Wegen zu suchen. Aber da gibt es ja noch die ganz andere Lesart. Wir halten Olaf Theunissen eben nicht für einen Biedermann, zumal die Staatsanwaltschaft von einem gerüttelt Maß an Verdachtsmomenten ausgeht, denn sonst hätte sie für die Aussetzung der Untersuchungshaft weniger harte Auflagen beantragt. Sie hält ihn also durchaus für fähig, das Delikt begangen zu haben, na, und das war ja nun weiß Gott keine kleine Vorstadtgaunerei, sondern spielte sich auf der ganz großen Bühne ab, war international. Wer da die Fäden gezogen hat, kann sich auch falsche Papiere besorgen. Ja, wir halten Olaf Theunissen trotz des Paßeinzugs für uneingeschränkt mobil, und das heißt, er kann an jedem Ort der Welt sein.«
»Oder tot«, versuchte Jacob noch einmal dem Gespräch eine Wendung zu geben, doch der Kommissar überging den Einwurf und stand auf.
»Morgen früh melden wir uns wieder bei Ihnen.« Er nickte leicht, was wohl als Verabschiedung zu verstehen war, ging zur Tür, drehte sich aber noch einmal um und sagte, ohne viel Bewegung in der Stimme, eher so, als brächte er eine für den Abgang von Polizisten vorgesehene Schlußformel an: »Wenn er sich meldet – Brief, Telegramm, Telefonat, Fax, persönliches Erscheinen –, dann unterrichten Sie uns bitte sofort!«
Als Ladiges draußen war, nahm Jacob seine Mutter bei der Hand, zog sie durchs Zimmer, öffnete die Tür zum Garten und ging mit ihr hinaus. Doch weil es sehr kalt war, lief er noch einmal zurück und holte zwei Mäntel aus der Garderobe. Etwa zwanzig Schritte vom Haus entfernt, neben der Gartenbank, blieben sie stehen. Jacob fegte mit der Hand das Laub herunter, und sie setzten sich.
»Meinst du wirklich, die haben Mikrophone bei uns angebracht? Wann hatten sie das denn wohl tun sollen? Es war doch immer jemand hier.«
»Sicher ist sicher. Familiengespräche abzuhören wäre für sie die beste aller Möglichkeiten, Informationen zu erhalten.« Jacob strich seiner Mutter übers Haar. »Du warst fabelhaft! Daß Vaters wichtigstes Gepäckstück die Brieftasche ist, war mir neu.«
»Und auch ich hab’ meinen Jungen nicht wiedererkannt. Aber was machen wir nun? Der Haubarg entfällt also. Was, wenn Vater da anruft und sie hören mit?«
»Georgine ist gewarnt. Du weißt, ich war am Tag nach Vaters Abreise bei ihr, weil der Haubarg sozusagen unsere Schaltstelle werden sollte. Aber ich hab’ ihr auch gesagt, daß wir umdisponieren, wenn die Polizei da erscheint. Das ist also nun geschehen, und so wird sie, wenn der erste Anruf kommt, entsprechend reagieren. Zu dumm, daß die Suche nach Vater so früh eingesetzt hat!«
»Wie kriegt ihr jetzt, wo Georgine entfällt, Kontakt zueinander?«
»Erst mal gar nicht. Auf unserer Autofahrt haben wir diese Möglichkeit erwogen, wie wir überhaupt für alle nur denkbaren Pannen ein Notkonzept entwickelt haben. Federico wird, sobald Vater uns sprechen will, Georgine anrufen, sich mit Lüttjohann melden und fragen, ob er ein Fuder Kartoffeln kaufen kann. Wenn sie ›Hallo, mein Junge!‹ zu ihm sagt, ist alles klar, und sie können offen reden. Sagt sie aber, auf dem Hof würden schon seit einer Ewigkeit keine Kartoffeln mehr verkauft, beendet er das Gespräch. Dann weiß Vater, daß der Haubarg als Kontaktstelle nicht mehr in Frage kommt. Für diesen Fall haben wir vereinbart, daß Federico mich in der Holzfirma anruft. Er wird sagen, er habe für uns ein günstiges Angebot, soundso viele Kubikmeter Teak, soundso viele Kubikmeter Rauli und so weiter. Die Zahlen ergeben, aneinandergereiht, die Telefonnummer, unter der ich Vater drüben erreichen kann. Wir haben einen ganzen Katalog verschlüsselter Botschaften aufgestellt, und die sind alle nur in unseren Köpfen gespeichert. War ’ne amüsante Übung auf der Autobahn und erinnerte mich an die Zeit, als er Vokabeln abfragte für die Schule. Also, der Kontakt kommt auf jeden Fall zustande. Daß die Telefongespräche nur von Federico oder auch Ernesto geführt werden, hat folgenden Grund. Vater ist etliche Male vernommen worden, und wahrscheinlich lief währenddessen ein Band mit. Sie haben also seine Stimme. Folglich darf niemals er selbst anrufen.

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