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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Petrohué war das Hotel, in dem Hilario Gutiérrez laut Aussage des Alten das Schloß der abgewetzten Ledertasche geöffnet und die vielen tausend Dollar entgegengenommen hatte, schnell gefunden. Es gefiel ihnen. Sie beschlossen, dort zu übernachten. Sie duschten, wechselten die Kleidung, trafen sich danach im Speiseraum und bestellten das Abendessen. Erst als sie schon beim Kaffee waren, zog Federico den Kellner in ein Gespräch, doch der war neu und verwies sie an den Wirt, einen alerten, kleinwüchsigen, etwa fünfzigjährigen Chilenen, der sich, weil nur noch wenige Gäste da waren, sogar zu ihnen an den Tisch setzte.
Aus seinem von einem dichten schwarzen Bart gerahmten Mund kam zunächst: »Gutiérrez? Carlos? No , Senores! Und Hilario auch nicht. Der einzige Gutiérrez, den ich kenne, ist der Unteroffizier aus meiner Militärzeit, ein Arschloch, wenn Sie mir das Wort verzeihen.« Es folgte die Beweisführung, warum dieser Unteroffizier ein Arschloch war, aber an ihr hatten die drei kein sonderliches Interesse. Federico unternahm einen zweiten Versuch: »Es ist noch gar nicht lange her, da hat an einem dieser Tische ein Mann gesessen, der auf jemanden wartete. Schließlich kam der Besucher, aber einer aus dem vorigen Jahrhundert, so alt war der schon. Ganz klapprig auf den Beinen und mit einem total zerknitterten Gesicht. Er hatte eine abgegriffene Tasche bei sich.« Mit ein paar flüchtigen Handbewegungen deutete Federico die Größe an. »Und dann hat der Gast, also der, der auf den anderen gewartet hatte, das Schloß der Tasche aufgebrochen und …«
»Moment! Mit einem Korkenzieher! Klar, den hat er sich bei mir an der Theke ausgeliehen und dann wieder zurückgebracht. Also, an die beiden kann ich mich gut erinnern. Da …«, der Wirt zeigte in die äußerste Ecke, »haben sie gesessen. Ja, es stimmt, der Alte sah reichlich zerknittert aus.«
»Na bitte!« Federico schlug mit der flachen Rechten auf den Tisch. »Und der andere, das war Hilario Gutiérrez.«
»Ein gutaussehender Mann. Mein Jahrgang ungefähr. Oder vielleicht ein Stück jünger. Volles Haar. Aber an mehr Einzelheiten kann ich mich mit dem besten Willen nicht erinnern. Ich weiß nur noch, daß er meiner Serviererin schöne Augen machte.«
»Ist sie hier?«
»Die hat schon Feierabend.«
»Kann es sein, daß er bei ihr Erfolg hatte und sie sich später noch getroffen haben?«
»So was ist bei Elvira durchaus möglich. Na, und daß dieser Hilario auf sie flog, ist verständlich, denn sie ist eine Frau mit einem tollen …«, der Wirt legte seine beiden nach oben geöffneten Hände unter die Hemdtaschen und tat so, als höbe er sie leicht an, »Charakter.«
Die beiden Spanier mußten lachen, und auch Olaf schmunzelte. »Wissen Sie noch, wann Hilario Gutiérrez aufgebrochen ist?«
»Nein.«
»Auch nicht, ob er zusammen mit dem Alten weggegangen ist?« Der Wirt schüttelte den Kopf. »Aber vielleicht weiß Elvira das. Fragen Sie sie morgen früh!« Als sie wieder allein waren, meinte Ernesto: »Wäre fabelhaft, wenn er mit der was gehabt hatte. Dann könnte sie uns garantiert ein paar Auskünfte geben.«
»Ich glaub’ eher«, antwortete Olaf, »daß er erst mal das Geld in Sicherheit gebracht hat.«
»Warten wir ab«, sagte Federico, »ob das Mädchen mit dem tollen Charakter überhaupt was zu sagen hat.«
    Es war zehn Uhr, als sie sich trennten. Olaf setzte sich, wie er’s vom Haubarg her gewohnt war, vor dem Schlafengehen noch ein wenig ans Fenster. Vor ihm lag, im Mondlicht, der Monte Osorno. Man hätte meinen können, die große gelbe Lampe am Himmel sei zu nichts anderem da, als die majestätische, mattglänzende Schneekuppe zu beleuchten. Es war ein Bild von beklemmender Schönheit. Am Tage hatte er unterhalb der Schneegrenze die breiten erstarrten Rinnsale der Lava gesehen, die ihm, wohl beeinflußt durch Ernestos Vergleich, wie schwarze, von einem Mützenrand herabhängende Bänder vorgekommen waren. Jetzt, in der Nacht, konnte man sie nicht erkennen. Vielmehr schien der ganze Unterbau des Berges schwarz zu sein, und es war dieses nächtliche Farbenspiel aus weißem Gipfel und schwarzem Sockel, das plötzlich in ihm die Erinnerung an die Spielsteine weckte, die Hilario dem alten José mit auf den Weg gegeben hatte, den weißen und den schwarzen. Waren sie womöglich als Symbole für Schnee und Lava zu verstehen? Sollte das Versteck irgendwo da oben sein? Immerhin hatte Hilario sich am Fuße eben dieses Berges mit dem Alten getroffen! Und

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