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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Federico auf eine Idee. Er wandte sich wieder an Hilario, der zwar von der vorangegangenen Diskussion nichts verstanden, ihr aber trotzdem angespannt gelauscht hatte, zeigte auf den Campingbeutel und fragte: »Was ist da drin?«
»Vor allem Proviant.«
Federico hob den Beutel, der fast die Größe eines Seesacks hatte, an, drehte ihn mit einem kräftigen Schwung um und schüttete den Inhalt auf den Fußboden. Es waren tatsächlich zur Hauptsache Eßwaren, die sich da vor ihnen ausbreiteten, Brote, Maisfladen, Speck, Spaghetti, Kaffee, Mate, Käse, eine Salami, Bier in Dosen, Fleisch- und Gemüsekonserven, Zigaretten. Aber auch ein paar andere Dinge waren zum Vorschein gekommen, eine Pistole, etwas Werkzeug, Kleidungsstücke, Schuhe und ein durch ein Gummiband zusammengehaltenes Bündel Papiere, das Federico sofort aufhob. Er streifte das Gummiband ab, sortierte den Fund, hielt zuletzt nur noch zwei chilenische Reisepässe und zwei Führerscheine in der Hand. Er blätterte in den Pässen, und dann sagte er: »Nun hör mir mal gut zu, Amigo! Natürlich müßten wir euch eigentlich bei der Polizei abliefern, aber mit deinem kranken Bruder wäre das schwierig. Also schreibst du jetzt alles auf, was du uns erzählt hast. Und weil wir keinen Notar dabeihaben, der dein Protokoll beglaubigen könnte, kommt eure Geschichte in die beiden Pässe. Auf dieser Seite«, er zeigte auf das erste freie Blatt in Hilarios Paß, »fängst du an, und wenn der Platz nicht ausreicht, schreibst du in Carlos’ Paß weiter.«
»Aber …, aber wie sollen wir uns dann in Zukunft ausweisen?«
»Dafür genügen eure Führerscheine.«
Wieder hatte Hilario keine Wahl. Ernesto löste ihm die Handfesseln, gab ihm einen Kugelschreiber, und dann ging es los. Fast eine Stunde lang saß Hilario am Tisch und schrieb das, was er vorher häppchenweise preisgegeben hatte, nun als zusammenhängenden Bericht nieder. Schließlich waren beide Pässe voller Notizen, und jeweils auf die letzte Seite kamen dann noch die Daumenabdrücke der Brüder. Mit Hilfe von Herdruß und einigen Tropfen Wasser gelang es, die vier Exemplare aufs Papier zu bringen. Carlos schien gar nicht bemerkt zu haben, was da mit ihm geschehen war.
»Das war’s!« sagte Federico. »Die Pässe kommen mit nach Deutschland, sozusagen als Geständnis und auch als Zeugenaussage.« Er gab sie Olaf, und der steckte sie in seine Flugtasche. »Aber das Geld«, sagte Hilario, »das wollt ihr uns wirklich wegnehmen?«
»Es ist der Lohn für zwei Morde«, antwortete Federico. »Außerdem war das Schiff einige Millionen Dollar wert.« Damit war Hilarios ängstlicher Protest auch schon verstummt. Als nächstes mußte entschieden werden, was mit dem Kranken zu geschehen hatte. Jetzt Hilfe zu holen würde bedeuten, daß einer von ihnen trotz aller Müdigkeit noch in der Nacht den etwa sechsstündigen Weg in die Ebene auf sich nähme, und dann sollte auch erst mal ein Arzt gefunden werden, der zu dem mühseligen Aufstieg bereit wäre. Sie entschlossen sich daher, Carlos mit Schmerztabletten aus ihrer Reiseapotheke zu versorgen und noch einmal seinen Verband zu wechseln. Hilario wurde wieder gefesselt, wenn sie die Schnur auch nicht mehr ganz so straff zogen.
Und selbstverständlich ging es nicht ohne Wacheinteilung ab. Federico übernahm die Zeit von zwei bis vier, Ernesto die von vier bis sechs, und anschließend war Olaf an der Reihe. Am Morgen, Olaf hatte seit anderthalb Stunden die Wache, starb Carlos. Er hatte schon beim ersten Wachwechsel im Koma gelegen, sich nicht mehr gerührt, nicht mehr geklagt, und als Olaf sich nun zu ihm hinabbeugte, bemerkte er, daß der Atem stillstand. Er weckte die anderen, und dann kam es zu einer Szene, die sie sicher viel tiefer berührt hätte, wenn die beiden Chilenen nicht gar so finstere Burschen gewesen wären. Hilario kniete neben dem Lager seines Bruders, die gefesselten Hände zum Gebet gefaltet, und die Tränen liefen ihm über das grobporige braune Gesicht. Ein ums andere Mal kam von seinen Lippen: » Mi Carlito! Mi Carlito! «
Sie gaben ihm zehn Minuten für die Andacht, und dann fragte Ernesto: »Was willst du mit ihm machen?«
»Wenn ihr mir die Fesseln abnehmt, kann ich ihn hier auf dem Berg begraben.«
»Ja, tu das!«
Sie machten Kaffee, aßen vom Proviant der Brüder und rüsteten dann zum Abstieg. Hilarios Pistole hatten sie schon eingesteckt. Nun nahmen sie auch noch die WINCHESTER an sich und suchten anschließend jeden Winkel der Hütte nach weiteren

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