1992 Das Theunissen-Testament (SM)
erbärmlich dabei, aber sie schafften es, und dann entfernte Federico die blutdurchtränkten Lappen. »Wann ist es passiert?«
»Das ist jetzt vier Tage her.«
Vor lauter getrocknetem Blut war die Wunde kaum auszumachen. Federico ließ sich von Olaf ein sauberes Handtuch geben, begann zu wischen, und bald sah er, und auch die anderen sahen es, daß da ein etwa pfenniggroßes Loch zwischen den Schulterblättern klaffte. »Ist die Kugel noch drin?«
»Ja. Sie sitzt so tief, daß man sie nicht rauskriegt.« Gemeinsam machten die drei dem Verletzten einen neuen Verband, benutzten dafür Wäschestücke aus ihrem Bestand. Dann legten sie ihn vorsichtig auf die Seite, damit sein Rücken vom Druck befreit war. Federico kniete weiterhin neben ihm. »Carlos Gutiérrez, kannst du mich verstehen?« fragte er nun. Ein leichtes Nicken.
»Deine Chancen stehen schlecht. Entweder läßt du dich in eine Klinik bringen, und dann mußt du sowieso auspakken, oder du bleibst hier auf dem Berg und stirbst. Es wäre also sinnlos, den Mund zu halten. Außerdem wirst du ja wohl nicht diejenigen schützen wollen, die dir dieses Ding verpaßt haben. Hör jetzt gut zu! Und du auch, Hilario! In Deutschland lebt ein verzweifelter Mann. Ihm hat das Schiff gehört, das durch eure Hilfe mit Schrott statt mit Kupfer beladen und dann versenkt wurde. Nun will man ihn, diesen Deutschen, verurteilen. Versicherungsbetrug und Mord in zwei Fällen, denn es gab ja zwei Tote. Wir sind hier, um nach Beweisen für seine Unschuld zu suchen. Da die Leute, hinter denen wir her sind, euch nach dem Leben trachten, empfiehlt es sich, uns alles, was ihr wißt, zu erzählen. Ist das klar?«
Carlos nickte, und Hilario sagte: »Ja.«
»Wir wissen schon eine Menge, zum Beispiel, daß der alte José Bahamondes das Geld in den Süden gebracht hat, und auch, daß tage- und nächtelang die Trucks den Schrott zum Hafen transportierten, und etliches mehr. Aber wir wissen noch nicht genug. Wer sind eure Auftraggeber?«
Carlos setzte zum Sprechen an, doch die inneren Verletzungen machten es ihm unmöglich, auch nur ein einziges Wort klar herauszubringen. So hob er die rechte Hand etwas an und zeigte auf seinen Bruder.
Federico stand auf und ging zu Hilario. »Du hast gesehen, er will, daß du redest. Also los!«
»Amerikaner waren das.«
»Genauer! Namen! Aus welchem Staat? Aus welcher Stadt? Wie sehen sie aus?«
Hilario senkte den Blick und schwieg. So mußte Federico ihm noch einmal klarmachen, daß für ihn und seinen Bruder das Spiel ohnehin zu Ende war, sie aber einen Nutzen davon hätten, wenn andere Jagd machten auf die Täter, zu deren Programm es offenbar gehörte, Zeugen trotz vorausgegangener fürstlicher Bezahlung aus dem Weg zu räumen, sicher auch mit dem Nebengedanken, den Lohn dann wieder einkassieren zu können. »Die haben einen Schrottplatz in Miami«, sagte Hilario endlich. »Sie heißen Jeremy und William, aber ihre Nachnamen kenne ich nicht.«
Ernesto hatte Papier und Kugelschreiber aus seiner Tasche genommen und begann, die wichtigsten Angaben zu notieren. »Sind das die beiden, die auf den Schrottplatz kamen?«
»Nein, die hießen George Forester und Bill Hazel.«
»Und die hast du kennengelernt?«
»Ja, ich hab’ sie in Valparaiso getroffen.«
»Wieviel hat man euch gezahlt?«
»Hundertvierzehntausend Dollar.«
»Warum so eine verrückte Zahl?«
»Weil wir einen Teil in amerikanischem und den anderen in chilenischem Geld kriegten, und zusammen war es dann soviel.«
»Wir wissen, daß das Geld hier in der Hütte ist«, sagte Federico, und um Hilario an jeglichem Einspruch zu hindern, fuhr er gleich fort: »Wir wissen wirklich sehr viel über euch, zum Beispiel auch, warum der weiße Stein vom Damespiel oben liegen muß, wie Carlos es José Bahamondes gezeigt hat. Den Grund dafür hat er ihm nicht genannt, aber wir kennen ihn, weil die Schwedin damals oben gehockt hat, als sie euch der Reihe nach die Unschuld nahm.«
Die kleine Einlage hatte mit dem Geld überhaupt nichts zu tun, aber Federico erreichte durch sie, was er beabsichtigt hatte. Hilario war tief beeindruckt, man sah es seinem verblüfften Gesicht an. Und so, als lieferte die Erwähnung der Schwedin tatsächlich den Beweis, daß Leugnen nun keinen Sinn mehr habe, stand er auf, griff an die Decke, schaffte es sogar, dort mit seinen gefesselten Händen ein Brett zu entfernen und dann einen Plastikbeutel hervorzuziehen. Er legte ihn auf den Tisch und setzte sich wieder.
Federico warf den Beutel Olaf
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