Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
Vom Netzwerk:
Behörden zu übergeben.«
    Doch Federico antwortete: »Fröhlich wird er wohl nicht sein. Das Geld ist weg und der Bruder tot. Außerdem wäre, wenn wir ihn abgeliefert hätten, jetzt Schluß mit unserem Einsatz. Dabei fängt der erst richtig an. Wir haben das schriftliche Geständnis von Hilario, haben neue Namen und ahnen die Zusammenhänge. Das alles muß doch nun zu Ende gebracht werden.«
    »Du hast recht«, sagte Olaf, »erst den Urheber dingfest machen, dann die Handlanger! Hilario wurde bezahlt, Carlos ebenfalls und dazu wahrscheinlich noch einige Männer im Hafen von Valparaiso, auch die Schrottkäufer, die in Curacavi auftauchten. Bislang hatten wir es nur mit Bezahlten zu tun, und jetzt geht es darum, denjenigen zu finden, der zahlt.«
    »Mir ist da eine Idee gekommen.« Federico spielte mit seiner Serviette, faltete sie zu einem Schiffchen. »Sollten wir nicht, bevor wir morgen fünftausend Kilometer nordwärts fliegen, erst noch versuchen, in Valparaiso den Zünder unter die Lupe zu nehmen? Jetzt, wo wir schon mal hier sind?«
    »Ich weiß nicht so recht«, antwortete Olaf. »Wie willst du an ihn rankommen? Wir ahnen ja nicht mal, wo er ist.«
»Die Reporter werden das aber wissen, und denen schlagen wir ein Geschäft vor. Ernesto und ich treten auf als …«, er überlegte, »na, als Schreiberkollegen wohl nicht, das würden sie uns nicht abnehmen … Moment, ihnen können wir ja sagen, wie es ist, daß wir nämlich als private Ermittler hier sind. Wieviel würdest du lockermachen für einen Blick auf den Zünder?« Olaf antwortete mit einer Gegenfrage: »Und du glaubst wirklich, daß du feststellen kannst, ob an dem Ding rumgefummelt wurde?«
»Ja, ich denke schon. Du weißt doch, bevor ich mit der Seefahrt anfing, war ich Elektriker.«
»Müßten die Chilenen das nicht längst untersucht haben? Bei denen gibt’s doch auch Experten.«
»Sicher, aber in der Zeitung stand kein Wort von irgendwelchen Untersuchungen. Vielleicht ist es für sie nur ein x-beliebiger Zünder, und er wird ja sowieso nach Deutschland geschickt. Wer weiß, womöglich haben sie das schon getan. Na, und genausogut kann’s passieren, daß er einfach verschwindet, und das wäre eine Riesenpanne.«
Vor allem dieser Gedanke, daß der Zünder verlorengehen, ja, sogar gestohlen werden könnte, leuchtete Olaf ein, und so sagte er nun: »Gut, sehen wir ihn uns mal an! Wie willst du vorgehen?«
Federico war erleichtert. »Ich biete dem Reporter, oder vielleicht ist’s ja auch eine Frau, Geld an. Dafür sollen sie sich noch einmal den Zünder von der Polizei zeigen lassen. Na ja, und mich sollen sie zu der Besichtigung mitnehmen, mir aber vorher ein Papier in die Hand drücken, das mich als Mitarbeiter ihrer Zeitung ausweist. Also. Wieviel würdest du springen lassen? Ein paar tausend Dollar müßte die Sache dir wert sein.«
»Sechs?«
»Ich fang’ bei fünf an. Das ist hierzulande ’ne Menge Geld, und sechs ist dann mein Limit.«
»Einverstanden.«
»Und was machen wir mit dem Geld von Hilario?« fragte Ernesto. »Hundertvierzehntausend Dollar in einem Hotelzimmer …, das ist riskant.«
»In Valparaiso«, antwortete Olaf, »wird es umgewechselt in große Scheine, und die verteilen wir auf uns drei, betrachten sie als zusätzliche Spesenbeträge. Drüben, in Deutschland, rechnen wir dann ab. Ich hab’ nicht die leiseste Ahnung, wem – juristisch gesehen – dieses Geld überhaupt gehört, Hilario Gutiérrez? Den Gangstern aus Miami? Dem chilenischen Staat, dem deutschen? Mir oder vielmehr THEUNISSEN II?«
»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf«, meinte Federico, »jedenfalls nicht jetzt.«
    Da die letzten Tage sie physisch stark beansprucht hatten, gingen sie früher als sonst in ihre Zimmer.
    Olaf verzichtete diesmal auf die gewohnte kontemplative Stunde am Fenster, denn draußen gab es nicht, wie in Petrohué, einen Berg und einen See, auch nicht, wie in Hamburg, einen schönen Garten und ebensowenig, wie vom Giebelzimmer des Haubargs aus, den Anblick der Wiesen mit schwarzbuntem Vieh, sondern nur eine schwachbeleuchtete Straße, auf der ein paar Autos und Eselskarren zu sehen waren. Er hatte geduscht und sich hingelegt. Auf dem Nachttisch stand ein Glas Rotwein. Zunächst las er im MERCURIO, was aber mehr Lektion war als Lektüre. Er kapitulierte schließlich, denn für den Artikel, den er sich vorgenommen hatte und in dem es um die gegenwärtigen Erträge der chilenischen Landwirtschaft ging, reichte sein Spanisch nicht aus.

Weitere Kostenlose Bücher