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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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rechtzeitig untertauchen und landete bei uns, kriegte eine neue Identität und arbeitete dann, auch mit neuer Visage, für uns in Bonn. Wir haben oft über ihn gesprochen, du und ich. Uns hat es imponiert, daß er sich, um sein Gesicht zu verändern, für implantierte Narben entschied, die nach Blattern aussahen. Das war ’ne häßliche, aber todsichere Tarnung. Außerdem, Müller-Tschernak, der zusammen mit Larissa Weinknecht im Bonner Verteidigungsministerium arbeitete und uns bestens versorgte. Kröger, Kolschwesky, Bartels und so weiter, alle, die übriggeblieben sind und nun in einem unserer Nester sitzen. Diese Schlupfwinkel habe ich in meinem Bericht natürlich auch aufgeführt. Zwei Dutzend weitere Seiten befassen sich mit anderen Stasi-Offizieren und inoffiziellen Mitarbeitern. Allein für dich brauchte ich anderthalb Seiten. Zugegeben, nicht alle achtunddreißig Personen sind angegeben, aber die wichtigsten, und zwar jeweils mit ihren heutigen Namen und Anschriften. Zum Beispiel steht da, daß du unter dem Namen Theo Bärwald auf einem Bauernhof in der Nähe des dänischen Ortes Ribe untergekommen bist. Ja, und warum das alles beim Notar liegt, wirst du dir denken können. Ich habe verfügt, daß es im Falle meines plötzlichen Todes den Ermittlungsbehörden übergeben wird. Also, ob Pille oder Fenster, in jedem Falle würde eine Lawine in Gang kommen.«
Kopjella antwortete nicht sofort. Er mußte erst eine Erwiderung finden, die den Anschein erweckte, er sei unbeeindruckt, weil er von einer falschen Behauptung ausgehe. In Wirklichkeit glaubte er dem Alten. Wer nach so langer Zeit diese Fülle an Namen und Vorgängen parat hatte, war noch vor kurzem mit ihnen befaßt gewesen.
»Das ist«, sagte er schließlich, »immer der letzte Ausweg. Stein und Bein zu schwören, man habe irgendwo eine Bombe versteckt, die hochgeht, sobald einem was passiert.«
»Kamerad Kopjella, du machst einen großen Fehler, wenn du meinst, ich bluffe. Ich habe die Wahrheit gesagt, und somit hast du es in der Hand, ob die HADEX auffliegt oder nicht.«
»Es fällt mir schwer, dir zu glauben. Entweder lügst du jetzt, oder du hast gestern gelogen.«
»Gestern?«
»Als du uns geschworen hast, du würdest niemanden verraten.«
»Dabei bleibt es auch.«
»Ein windiges Versprechen! Was geschieht zum Beispiel, wenn du morgen einen Herzschlag kriegst, also eines zwar plötzlichen, aber natürlichen Todes stirbst? Dann würde der Notar dein Machwerk, wenn es denn existiert, den Behörden übergeben, und damit wären wir alle von dir verraten.«
»Ein Arzt«, antwortete Fehrkamp, »wird feststellen, ob ich eines natürlichen oder eines gewaltsamen Todes gestorben bin, und nur letzteres würde die Lawine in Gang setzen.«
»Wer’s glaubt! Wie heißt denn dein Notar?«
»Das behalte ich für mich.«
»Du wirst mir den Namen sagen, und außerdem wirst du den Mann noch heute abend in meinem Beisein anrufen und ihn bitten, den Umschlag sofort bei dir abzuliefern.«
Fehrkamp lachte laut auf. »Dazu könnte ich ihn wohl schwerlich überreden. Nein, mein Lieber, die Sache läuft nicht.«
»Doch, sie läuft.« Kopjella lehnte sich zurück, zündete sich in aller Ruhe eine neue Zigarette an, und der Zynismus, den er nun an den Tag legte, bestand ganz einfach darin, daß er seine folgenden Mitteilungen im Plauderton von sich gab: »Du erinnerst dich sicher, daß wir ein Objekt immer von mehreren Seiten her angingen. Als wir Dr. Jonas, den Lektor des Söderberg-Verlags, in Frankfurt beschatteten, waren wir gleichzeitig in Prag seiner Frau auf den Fersen, die ja von dort aus überwechseln wollte. Weil also er, wie uns auch bekannt war, die Absicht hatte, während der Buchmesse abzuspringen, trat einer von uns an ihn heran und teilte ihm mit, daß wir seine Frau unter Aufsicht hätten. Da blieb ihm nichts anderes übrig, als nach der Messe zu uns zurückzukehren.«
Es war ein düsterer Blick, mit dem Fehrkamp den einstigen Gefährten bedachte, und dann stieß er hervor:
»Ihr werdet doch nicht …«
»Wir werden! Vielmehr. Mit der Observierung haben wir schon angefangen.«
»Angelika?«
»Ja, deine Tochter Angelika.«
»Aber … , aber unser Staat existiert nicht mehr! Repressalien dieser Art sind nicht mehr möglich!«
»Dafür andere. Nur zu deiner Information. Daß ich deine Sippe genau kenne, ist klar. Aber auch Kornmesser ist gut unterrichtet. Er weiß, daß Angelika mit dem Bauingenieur Hubert Dillinger verheiratet ist und daß sie zwei Kinder

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