1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)
Umarmung aus, jedenfalls aber nach einer Geste freundschaftlicher Verbundenheit, so dicht war Kopjella an Fehrkamp herangerückt, doch der wirkliche Grund dafür lag in seiner Absicht, das Gespräch Wort für Wort zu verfolgen. Fehrkamp saß am Schreibtisch, den Hörer in der Hand. Kopjella stand rechts von ihm mit tief geneigtem Kopf, vor sich ein Blatt Papier und in der Hand einen Kugelschreiber.
Er notierte: »Ihr Mann soll nach seiner Rückkehr sofort hier anrufen.«
Fehrkamp gab es weiter, sprach von einer absoluten Ausnahmesituation und auch davon, wie wichtig dieser Rückruf für ihn sei. Schließlich hörten die beiden:
»Ich werde es meinem Mann ausrichten.«
Sie setzten sich wieder in ihre Sessel, mußten jetzt einfach nur Zeit verbringen, unterhielten sich, und manchmal schien es vergessen zu sein, daß da ein Henker und sein Opfer miteinander sprachen. Doch insgeheim kehrte jeder immer wieder zurück zu dem, was ihn am meisten beschäftigte. Den einen trieb der Gedanke um. Ich muß um jeden Preis dieses verfluchte Dossier in die Hände kriegen! Und der andere dachte an seine Tochter, an seine Enkelkinder, malte sich aus, wie sie am Strand von Amrum fröhliche Ferientage verbrachten, wie sie Bootsfahrten und Wattwanderungen unternahmen, nicht ahnend, daß ein zu allem entschlossenes Killerkommando ständig in ihrer Nähe war.
Zwischen Angelika und ihm hatte es Jahre der Entfremdung gegeben, denn lange vor der Wende, als sie und ihr Mann noch in Rostock lebten, hatten sie Pläne zur Flucht in den Westen geschmiedet. Er wußte, die treibende Kraft war der Schwiegersohn. Sollte nun er, der Schwiegervater, ihn anzeigen, getreu seinem Fahneneid, und damit das Glück seiner Tochter zerstören? Oder sollte er schweigen? Mit diesen Fragen hatte er sich herumgeschlagen und sich schließlich fürs Schweigen entschieden. Aber auch schon vorher war es zu Auseinandersetzungen gekommen. Angelika und Hubert hatten sehr jung geheiratet, noch vor der Ausbildung, und er hatte seinem Schwiegersohn dann zum Jura-Studium geraten. Seit 1951 gab es in PotsdamEiche eine eigens von der Staatssicherheit eingerichtete Hochschule für angehende Juristen. An ihr konnten sogar, obwohl die Anstalt im Universitätsverzeichnis der DDR nicht aufgeführt war, akademische Titel erworben werden. »Wer da studiert«, hatte er zu Hubert gesagt, »hat eine große Karriere vor sich, dem stehen Tür und Tor offen.« Aber der Junge hatte erwidert: »In Potsdam-Eiche lernt man, wie man das Recht beugen kann. Das ist nichts für mich.« Mit dieser Äußerung war der Grundstein gelegt für all die Streitigkeiten, die es später gegeben hatte.
Doch nun war die Familie längst wieder versöhnt, und so stand eines vor allem für ihn fest. Um nichts in der Welt durfte er die vier Menschen, die ihm die nächsten waren, gefährden. Das war es, was ihn bewegte, aber er fragte: »Was glaubst du eigentlich, wie lange ihr euch in euren Nestern halten könnt?«
»Unbegrenzt«, lautete die Antwort.
»Und was bringt es euch? Was bringt es zum Beispiel dir, bis an dein Lebensende ein dänischer Bauer zu sein? Das kann dich doch unmöglich zufriedenstellen.«
»Na ja, die Landwirtschaft ist meine Sache nicht, da hast du recht, aber ich mach’ das auch nur für eine Übergangszeit. Danach wird wieder was anderes möglich sein.«
»Ach ja, du bist nun mal ein Söldner-Typ, das warst du schon immer. Ich erinnere mich deutlich daran, wie oft du über den israelischen Geheimdienst gesprochen hast und wie begeistert du von ihm warst. Es hat dich damals ungeheuer beeindruckt, daß nach dem Olympia-Massaker von München alle zwölf Personen, die auf der Abschußliste des MOSSAD standen, im Laufe der nächsten Jahre tatsächlich zu Tode gekommen sind. Diese Exekutionen waren für dich wahre Musterbeispiele an Logistik, Mut und Tatkraft.«
Kopjella lächelte. »Hast ein gutes Gedächtnis.«
»Und die Entführung Adolf Eichmanns aus Argentinien hast du als ein Bravourstück bezeichnet.«
»War sie ja auch.«
»Für andere war sie eine üble Verletzung internationaler Übereinkünfte, ein Anarchismus ersten Ranges.«
»Der Zweck heiligt die Mittel. Überleg doch mal, was dieser Mann getan hat! Um ihn endlich in die Finger zu kriegen, waren die Israelis berechtigt, auf jedem Territorium der Welt jede nur denkbare Verletzung von Übereinkünften zu begehen. Ich weiß, andere Leute rücken den MOSSAD in die Nähe von Terroristen, aber für mich ist er eine Elitetruppe. Mir geht
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