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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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nicht rufen, sondern kam zu mir in die Zelle! Ich hatte …«, Schöller grinste, »ein Einzelzimmer. Also, der Kopjella setzte sich auf meine Bettkante und redete mit mir wie mit einem Kranken, ganz sanft und freundlich, bot mir sogar eine Zigarette an. Und dann rückte er raus mit seinem Plan. Das heißt, erst mal erklärte er mir, was unter einer Verhörstrategie zu verstehen war. Es käme ja darauf an, aus dem Befragten auf jeden Fall die Wahrheit rauszuholen, und um das zu erreichen, wären manchmal ein paar Umwege nötig. Er hat wirklich Umwege gesagt. Also, ich sollte mir folgendes vorstellen. Da sind zwei Verdächtige, A und B. Die weigern sich, ein Geständnis abzulegen. Daraufhin tritt der Kripomann oder der Staatsanwalt oder wer sonst das Verhör führt eines Tages eiskalt lächelnd an A heran und erklärt ihm, B hätte endlich gesungen. Hilfreich wäre dann natürlich, meinte der Major, wenn man A mit irgendeiner Einzelheit konfrontieren könnte, die diese Behauptung stützt. Kurzum, indem man zu A sagt, B hätte gesungen, bringt man A zum Singen. Er, also der Major, redete sich richtig in Eifer und meinte, wenn A daraufhin auspackt, kriegt man jede Menge Informationen, mit denen man anschließend B aus der Reserve locken kann.« Schöller machte eine Pause, schob das leere Glas ein Stück zur Seite, fuhr dann fort: »Ganz schön schofelig, diese Methode! Man spielt den einen gegen den anderen aus. Aber damals überzeugte mich das. Weil’s ja um die Wahrheit ging. Na, und bei so einer krummen Tour sollte ich also mitmachen. Als Statist. ›Unser Baby ‹ – Sie wissen ja schon, daß man Ihren Sohn so nannte – ›unser Baby ‹ , meinte der Major, ›ist verstockt. Es will den Mund nicht aufmachen.‹ Und dann erzählte er mir, daß er zu Tilmann gesagt hat: ›Kämmerer, dein Vater ist ein Feigling. Er hat dich verletzt auf dem Acker liegenlassen, obwohl er auch aus dem Mähdrescher gefallen ist und genau sehen konnte, was mit dir passiert war. Statt dir zu helfen, ist er auf die Grenze zugelaufen und dann rüber.‹ Sie sehen, der Major hat mir den Fall in allen Einzelheiten geschildert, aber dann kam er zurück auf das, was er von mir wollte. Sein Problem war ja, daß der Junge an die Feigheit seines Vaters nicht glaubte. Also ging es darum, Beweise ranzuschaffen. Auf dem Wachtturm, von dem die MGSalven abgefeuert worden waren, hatte es durchaus eine Kamera geben können, eine mit Infrarot, die auch in der Dämmerung brauchbare Aufnahmen macht. Also werden wir, sagte der Major zu mir, dem Bürschchen erklären, auf dem Turm hatte es eine solche Kamera gegeben. Nicht zufällig, denn das würde er nicht glauben, sondern weil man seit einiger Zeit Erdbewegungen und Truppenzusammenziehungen auf der westlichen Seite beobachtet hätte. Ja, und nun kommt der Hammer! Der Major sagte, als er da auf meiner Pritsche saß, man wollte einen kleinen Film drehen. Über die Flucht. Über Ihre Flucht, Herr Kämmerer. Und man hat diesen Film auch tatsächlich gedreht. Mit allem Drum und Dran. Mit dem Mähdrescher. Mit dem Jungen, der rausfällt und liegenbleibt. Mit dem Vater, der ebenfalls rausfällt, kurz zu seinem Kind rüberguckt und dann das Weite sucht. Und dieser Vater … , also, es war so. Der Major hat mich nicht gefragt, ob ich die Rolle übernehmen würde, sondern mir klargemacht, daß es meine Pflicht wäre, auf solche Weise dem Staat bei der Wahrheitsfindung zu dienen. Ich mußte es also machen.«
Kämmerer lief es eiskalt über den Rücken. Wie erstarrt saß er da, sah Schöller an, sagte dann:
»Aber ich bin nicht rausgefallen! Ich wurde verletzt und kam bewußtlos drüben an. Wie konnte man die Szene nachstellen, wenn man mich überhaupt nicht gesehen hat? Meine Statur, meine Kleidung!«
»Es war Dämmerlicht, als Sie flohen. Und so wurde der Film auch gedreht, im Dämmerlicht. Mit verschwommenen Umrissen.«
»Wieso wußte man, was ich anhatte?«
»Jeder, der abends oder nachts flieht, trägt was Dunkles.«
Kämmerer nickte. »Und den Film hat man Tilmann tatsächlich vorgeführt?«
»Ja, immer wieder.«
»Und wie hat er reagiert?«
»Das weiß ich nicht, weil ich bald darauf in einen anderen Block verlegt wurde. Wahrscheinlich dachte man, ich könnte Schwierigkeiten kriegen mit meinem Gewissen und dem Jungen die Wahrheit erzählen. Wohl um das zu verhindern, kam ich woanders hin, und von da an hatte ich keinen Kontakt mehr zu ihm.«
»Und wie erfuhren Sie von seinem Tod?«
»Solche Nachrichten

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