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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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ein und sagte: »Noch einmal zurück zu Ihren Briefen! Haben Sie auch der Polizei davon erzählt?«
»Ja, das hab’ ich. Als man mit der Spurensicherung fertig war, mußte ich jeden Winkel der Wohnung untersuchen, um festzustellen, ob irgend etwas verschwunden war. Aber mehr fiel mir nicht auf. Ich wußte ja nicht, was mein Vater sonst noch in seinem Schreibtisch und in seinen Schränken gehabt hat.«
»Das Fehlen der Privatpost«, meinte Dillinger, »stützt unsere These, daß es weder ein echter Selbstmord noch ein Racheakt war.«
Kämmerer stand auf und entdeckte auf einer Konsole einen Stapel schwarz umrandeter Briefe. Ach ja, dachte er, das gehört auch dazu, und flüchtig ging ihm durch den Kopf, daß er sich damals, bei Marias Tod, gegen diese Konvention aufgelehnt und keine Drucksachen verschickt hatte.
Er zeigte auf den Packen. »Die meisten davon gehen wohl in den Osten.«
»Ja«, antwortete Frau Dillinger, »denn da spielte sich das Leben meines Vaters ab. Hier im Westen hatte er außer uns niemanden. Übrigens kriegt auch Frau Kopjella eine Anzeige. Sie wohnt jetzt in Leuna.«
»Würden Sie mir ihre Adresse geben?«
Angelika Dillinger trat an die Konsole, suchte aus dem Stapel den Umschlag heraus und diktierte Kämmerer die Anschrift.
»Also, ich möchte mich dann verabschieden«, sagte er. »Ich danke Ihnen beiden sehr!«
Nachdem sie vereinbart hatten, sich gegenseitig zu verständigen, wenn es etwas Neues gäbe, ging er zu seinem Wagen, stieg ein und startete. Bis zu seinem Haus war es ein weiter Weg. Diesmal wollte er nicht durch die Innenstadt fahren, sondern wählte, weil die Rush-hour inzwischen eingesetzt hatte, die Route über Lurup, Schneisen und Langenhorn. Doch auch auf dieser Strecke kam er nur langsam voran, wurde sich dessen aber gar nicht bewußt, so sehr beschäftigte ihn, was er an diesem Nachmittag erfahren hatte. Vor allem eine Information ließ ihm keine Ruhe, daß Kopjella Kinder hatte, die wahrscheinlich in Hamburg lebten.
Die Ehefrau, darüber war er sich längst klar, würde nichts hergeben bei einer Observierung, denn es käme Kopjella wohl kaum in den Sinn, zu ihr nach Leuna zu fahren. Aber die Kinder! Sie waren erwachsen und lebten losgelöst vom Elternhaus. Daß die Polizei sie unter Beobachtung stellte, stand nicht zu erwarten. Sie konnte unmöglich ganze Sippen kontrollieren. Davon würde auch Kopjella ausgehen, und so bestand durchaus die Möglichkeit, daß es Sohn und Tochter waren, über die er Kontakt zu seiner Frau hielt.
Auf halbem Weg parkte er und betrat wenig später ein Fotogeschäft, legte die Einzelaufnahme auf den Ladentisch und sagte zu der jungen Frau, die dahinter stand:
»Bitte, vergrößern Sie mir das! Die Blumen, das Pult, die Fahne, das alles kann verschwinden. Holen Sie mir nur den Kopf heraus, und machen Sie den so deutlich wie möglich!«
Sie fragte, ob er das Negativ habe. Dann sei es einfacher, schneller und billiger.
»Leider nicht«, erwiderte er. »Aber es wird doch auch so gehen.«
»Natürlich. Foto vom Foto. Das dauert drei Tage.« Sie zeigte auf die Bestellungen, die sich neben der Kasse türmten. »Sehen Sie! Das alles kommt heute abend ins Labor.«
»Ginge es nicht ausnahmsweise in zwei Tagen? Bitte, es ist sehr wichtig für mich!«
»Gut, ich will’s versuchen. Wie viele Abzüge sollen es sein?«
»Drei. Nein, fünf.«
»Also sechs, denn fünf berechnen wir noch stückweise, und das halbe Dutzend kostet soviel wie fünf einzelne.«
»In Ordnung.«
»Kommen Sie übermorgen, aber bitte nicht vor sechzehn Uhr.«
»Haben Sie vielen Dank!«
»Welches Format?«
»Ich brauche die optimale Verbindung aus Größe und noch vorhandener Schärfe.«
Sie sah sich das Bild an. »Postkarte wäre da wohl das beste.«
Sie fragte nach seinem Namen, schrieb ihn und dazu ein paar Anmerkungen auf die Hülle, steckte das Foto hinein und schob das Ganze weit unten in den Stapel. »Im Labor«, sagte sie, »drehen sie den um und fangen dann oben an.«
Er dankte ihr noch einmal und ging hinaus, hatte das Gefühl, durch den einen gewonnenen Tag etwas Wesentliches erreicht zu haben, und wußte doch genau, wie unsinnig das war.

16
    Barbara Köster, von ihrem Chef meistens Babu genannt, arbeitete seit nun schon sieben Jahren im Fotoatelier Laue. Als Sechzehnjährige hatte sie dort begonnen. Ein paarmal, vor allem während der Lehrzeit, hatte sie Pech gehabt und ihrem Arbeitgeber die eine oder andere Panne melden müssen. Einmal hatte sie falsche Maße auf eine

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