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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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diese beiden Personen hatten, wie die Schuljungen, die Haustür mit eigenem Schlüssel geöffnet.
Die Kopjella-Kinder wohnten im fünften Stock, also ganz oben, aber er wußte damit noch nicht, ob es sich um die linke oder um die rechte Wohnung der letzten Etage handelte.
Um halb elf näherten sich zwei Frauen, eine ältere und eine junge. Sie gingen auf die Eingangstür zu, und dann schloß die ältere auf. Schnell löste er sich aus dem Schatten des Busses, überquerte die Straße und nutzte die noch offenstehende Tür zum Eintritt ins Haus. Dabei grüßte er freundlich, ging an den beiden, die sich nur langsam die Treppe hinaufbewegten, vorbei. Mit einem Blick hatte er erfaßt, daß ein Fahrstuhl nicht vorhanden war. Als er im dritten Stockwerk angekommen war, hörte er, wie unten mit Schlüsseln hantiert wurde.
Er ging weiter, passierte Wohnungstüren, neben denen Straßenschuhe aufgereiht waren, empfand spontan dieses Mittel, die eigenen Räume zu schonen, als Belästigung, und das nicht nur für die Augen. Die Vorstellung, mit einer solchen Gewohnheit sei ein Bereich gemeinschaftlicher Nutzung womöglich den Attacken von Pilzkolonien und sehr privaten Gerüchen ausgesetzt, weckte auch hygienische Bedenken in ihm. Wenn ich hier wohnte, ging es ihm durch den Kopf, hätte ich höchstwahrscheinlich eine Menge Ärger mit meinen Nachbarn.
Im fünften Stock wurde es dann freundlicher. Da waren keine Schuhe zu sehen, sondern Pflanzen. Gewaltige Töpfe mit Gummibäumen, Farnen und Zimmerpalmen gaben ihm das Gefühl, ein Gewächshaus betreten zu haben, und er mußte lächeln bei dem Gedanken, die grüne Phalanx sei vielleicht als Demonstration gegen das der Allgemeinheit aufgezwungene Schuhwerk zu verstehen.
Auf dem Namensschild an der linken Tür stand Oswald und Annegret Kopjella. Er lauschte einige Sekunden, vernahm aber nicht das leiseste Geräusch. So wandte er sich um und trat an die rechte Tür, las auch dort den Namen. Scheint ein Araber zu sein, dachte er.
Ob er es wagen durfte, bei den Geschwistern Kopjella zu klingeln? Er könnte ja einfach sagen, nach seiner Information müsse hier oben, links oder rechts, der Zivildienstleistende Fritz Sowieso wohnen, aber weder das eine noch das andere Namensschild spreche dafür, und nun wisse er nicht …
Er machte die paar Schritte zurück, drückte auf den Knopf, wartete. Niemand kam. Er entschloß sich, nun auch noch auf die andere Klingel zu drücken, und nach einiger Zeit öffnete dort ein dunkelhäutiger, exotisch aussehender Mann in mittleren Jahren. Er hatte wohl schon geschlafen, denn sein Haar war zerzaust.
»Entschuldigen Sie bitte die Störung«, sagte Kämmerer. »Ich wollte zu den Kopjellas«, er zeigte auf die gegenüberliegende Tür. »Wissen Sie zufällig, ob sie verreist sind?«
»Heute morgen waren noch hier. Vielleicht ausgegangen.«
»Danke, dann versuche ich es morgen noch einmal. Auf Wiedersehen.«
»Auf Wiedersehen.«
Die Tür schloß sich, und er ging zur Treppe. Plötzlich, er hatte gerade die ersten Stufen hinter sich gebracht, hörte er, wie sich von unten her Schritte näherten. Er ging rasch weiter, erreichte das vierte Stockwerk, stellte sich vor die linke Wohnungstür, so als hätte er dort soeben geklingelt, lehnte sich mit ausgestrecktem Arm gegen den Rahmen, um sein Gesicht zu verdecken. Den Schritten nach zu urteilen, war es ein Mann, der heraufkam, an ihm vorbei und nach oben ging.
Kämmerer riskierte einen kurzen Blick. Frank Kopjella konnte es nicht sein, denn die Gestalt war klein und schmächtig. Er lauschte hinauf, hörte, wie oben geklingelt wurde, aber ob an der rechten oder an der linken Wohnungstür, war nicht auszumachen. Doch wenige Augenblicke später wußte er Bescheid. Dem Mann wurde nämlich nicht geöffnet, und also hatte er die Kopjellas besuchen wollen. Gleich darauf ein paar Schritte und erneutes Läuten, und dann wiederholte sich die Szene, die sich bei ihm selbst einige Minuten zuvor an der Tür des Nachbarn ergeben hatte. Der Besucher fragte nach Oswald und Annegret Kopjella und erfuhr, daß sie wohl ausgegangen seien. Danach aber kam der Zusatz: »Gerade eben war anderer Mann hier. Hat auch gefragt.«
So leise, wie es möglich war, eilte Kämmerer die Treppe hinunter, öffnete die Eingangstür, lief über die Straße, versteckte sich hinter dem Bus und beobachtete kurz darauf, wie der Schmächtige das Haus verließ. Wenn er ihn, um selbst unerkannt zu bleiben, auf dem Treppenabsatz nicht hatte ansehen dürfen, so

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