1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)
Schlüssel, erklärte ihm aber für den Fall, daß Kornmesser anrief, er wolle zum Río Frío fahren, zum Fluß in den Bergen.
»Was? Jetzt im Dunkeln?«
»Ich will nur eine Weile am Ufer sitzen.«
Das mochte Bartolo ihm glauben oder nicht, wichtig war allein, daß Kornmesser nicht auf den Gedanken kommen konnte, er hätte sich in Malaga oder sonstwo unters Ferienvolk gemischt.
Der Wagen fuhr besser als der Seat, nahm die Steigungen viel leichter. Es war eine schöne laue Nacht mit Mondlicht, und sobald statt der Olivenbäume Pinien und Korkeichen die Straße säumten, gefiel ihm auch die Landschaft.
Nach einer halben Stunde hatte er die VENTA, die jetzt ein Gasthaus war, erreicht. Auf dem Vorplatz entdeckte er einen Jeep und einen Opel Ascona, und fast hatten sie ihn, kaum daß er ausgestiegen war, zur Umkehr veranlaßt. Jedes der beiden Fahrzeuge hatte ein deutsches Kennzeichen, und zwar das Bremer. Aber schließlich machte er die Wagentür doch zu und schloß ab. Man kann es mit der Vorsicht auch übertreiben, sagte er sich und ging auf das kleine alte Haus zu, stellte sich vor die ins Mauerwerk eingefügte Tafel aus Kacheln, auf die das gelbliche Licht der Außenlampe fiel. Aus dem langen, in die Lasur eingebrannten Text las er das Wort Bandidos heraus.
Er trat ein. Der Schankraum war rustikal eingerichtet: Holzmöbel in Naturfarbe, Balken an der Decke, weißgetünchte Wände. Durch die offenstehende Tür zur Küche drang der Geruch von Gebratenem herein.
An dem Tisch, der vor der Theke stand, saß eine fröhliche Runde, und weil er die beiden Autos gesehen hatte, überraschte es ihn nicht, daß dort deutsch gesprochen wurde.
Er suchte sich einen Platz gleich neben der Tür, und kurz darauf kam die Wirtin zu ihm, eine rundliche Spanierin in dunkelgrauem Kleid und mit weißer Schürze. Er wollte nur einen Drink, studierte die handgeschriebene Getränkekarte und wählte, weil das am leichtesten auszusprechen war, eine Coca-Cola mit Bacardi.
» Con hielo? « fragte die Frau, und als sie merkte, daß er sie nicht verstand, drehte sie sich um und zeigte auf den Eiskübel, der auf der Theke stand. Er nickte, hatte eine Minute später sein Getränk, zahlte gleich.
Er musterte die Tischrunde, die aus vier Frauen und drei Männern bestand und, dem vielen Geschirr nach zu urteilen, ausgiebig gespeist hatte, verfolgte das Gespräch, bei dem es vorwiegend um die Ferienfreuden an der Costa del Sol ging. Aber auch um die Leiden. Eine der Frauen pries ihr Quartier in Marbella, eine andere klagte über Sonnenbrand, und einer der Männer, ein Wikinger-Typ mit rötlich-blondem Bart, ließ die anderen wissen, welche Maße seine Yacht hatte und daß sie in Puerto Banús lag.
Er hörte nicht mehr zu, blickte nur noch dann und wann hinüber. Alle waren sie um die vierzig Jahre alt und braungebrannt. Auffälligkeiten entdeckte er nicht. Er leerte sein Glas, und damit sah er seine Unternehmung auch schon als beendet an, denn die VENTA verhieß nicht die kleinste Sensation. Er stand auf, nickte der Wirtin zu, die hinter der Theke Gläser spülte, und ging hinaus.
Draußen verharrte er eine Weile auf dem Vorplatz, betrachtete den Mond, fand ihn fade, obwohl sein Licht dafür sorgte, daß die Bergkämme sich gegen den Himmel abzeichneten und ihm zumindest ein paar interessantere Konturen lieferten, als die platten Wiesen von Ribe es gekonnt hatten. Plötzlich bemerkte er, daß eine der Frauen aus der Tür trat und auf ihn zukam. Im Schankraum hatte er nur ihr Gesicht gesehen, noch dazu im Profil, aber nun nahm er in sich auf, daß sie eine propere Vierzigjährige war, vollschlank im wörtlichen und nicht im höflichen Sinn, dunkles offenes Haar. Ganz dicht trat sie an ihn heran. Da das Mondlicht auf ihr Gesicht fiel, konnte er die lebhaften Augen, den schmalen Nasenrücken und die etwas vorgewölbten Lippen erkennen.
Sie erstaunte ihn, denn wie selbstverständlich legte sie die Rechte auf seinen Arm, eine schöne, gepflegte Hand.
»Deutsch?« fragte sie. Ihre sanfte, tiefe Stimme gefiel ihm.
»Ja«, antwortete er und lächelte sie an.
Auch ihre nächsten Worte kamen ganz sanft daher, kündigten das Ungewöhnliche nicht an:
»Wenn Sie Zeit und Lust und ein Auto haben, könnten wir ein Stück fahren und dann irgendwo ficken.«
Es verschlug ihm fast die Sprache, den deftigen Ausdruck aus dem Munde einer Frau zu hören, die keine Hure zu sein schien, denn Huren verwendeten nun mal, auch im ersten Anlauf, das Du. Überhaupt schuf der Umstand,
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