1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)
auch nicht um.
Kämmerer untersuchte die Waffe. »Sie ist geladen«, sagte er zu Frau Engert. »Ich bin sicher, wenn er gewußt hätte, daß ich Paul Kämmerer bin und nicht Ihr Sohn, wären wir beide jetzt tot. Ich, weil sein Auftrag so lautet, und Sie, weil Sie eine lästige Zeugin gewesen wären.«
Er wandte sich dem am Boden Liegenden zu, stieß ihn mit dem Fuß leicht an. Doch der reagierte noch immer nicht.
»Holen Sie mir ein scharfes und spitzes Messer aus der Küche!« bat Kämmerer Frau Engert.
Innerhalb kürzester Zeit hatte er das Gewünschte und beugte sich über sein Opfer. »Ich steche zu, wenn Sie sich nicht umdrehen!«
Seine Worte blieben ohne Wirkung, und so setzte er das Messer an, drückte. Die Spitze bohrte sich in Vogts Jacke, dort, wo das Herz war.
»Okay«, sagte Vogt. Er drehte sich um, und als er auf dem Bauch lag, entsicherte Kämmerer die Pistole und hielt sie ihm an die Schläfe.
»Die Arme auf den Rücken legen!«
Vogt gehorchte.
»An seinen Füßen«, sagte Kämmerer zu Frau Engert, »hängt noch genügend freie Leine. Schneiden Sie die ab und verschnüren Sie damit seine Hände!«
Sofort kniete sie sich hin, arbeitete schnell und geschickt, war auch nicht mehr nervös, oder falls doch, zeigte sie es nicht. Als sie fertig war, stand sie wieder auf, und auch Kämmerer ließ von dem Gefangenen ab.
»Schifferknoten?« fragte er, nachdem er die Fesseln geprüft hatte. »Wo haben Sie denn den gelernt? Die meisten Leute machen einen Altweiberknoten, und der hält nicht.«
»Als Studentin hab’ ich mal einen Segelkurs gemacht. Die A-Prüfung hab’ ich immerhin geschafft.« Und dann bewies sie, daß sie wieder ganz die alte war: »Den BSchein mach’ ich auch noch irgendwann.«
»Den machen wir dann zusammen«, antwortete er. »Haben Sie noch mehr Wäscheleine?«
»Ja.«
Sie ging, kam zurück, gab ihm die noch aufgebundene Leine. Wie schon die erste, war auch diese von guter, alter Qualität, ganz aus Hanf und mindestens einen halben Zentimeter stark. Er schüttelte das Bündel auseinander, schleppte Vogt in die Nähe des Heizkörpers, wand ihm die Leine mehrmals um den Leib, machte einen Knoten und befestigte dann die losen Enden an einer der metallenen Rippen, ließ dem Mann nur einen halben Meter Spielraum.
»Kommen Sie!« Kämmerer steckte die dem Gefangenen abgenommenen Sachen ein und zog Frau Engert aus dem Zimmer. Sie gingen in die Küche, setzten sich dort an den Tisch.
»Ich wollte uns ein schönes Mittagessen kochen, aber dazu hab’ ich jetzt nicht die Nerven. Soll ich einen Kaffee machen?«
»Wär’ nicht schlecht.«
Sie setzte die Maschine in Gang, stellte Tassen, Zucker und Sahne auf den Tisch, setzte sich wieder.
»Denken Sie jetzt bitte nicht«, sagte er, »Sie hätten die zweite Einquartierung bekommen. Ich hab’ ihn da drinnen nur verankert, damit wir in Ruhe miteinander reden können. Ist ja scheußlich, wenn man sich bespricht und der Kerl dann zwangsläufig alles mitkriegt. Zunächst mal. Heute abend kommt er aus dem Haus.«
»Aber wohin? Ich hab’ das dumme Gefühl, bei der Polizei wäre er nicht gut aufgehoben. Man kennt das doch, keine Beweise, keine Festnahme. Und natürlich redet er sich heraus. Wahrscheinlich ist sogar im Handumdrehen sein Anwalt zur Stelle.«
Kämmerer nickte. »Dabei kann«, antwortete er dann, »kein Zweifel darüber bestehen, daß wir den Richtigen haben. Zwar ist es nicht Kopjella, aber doch einer von seinen Leuten. Und ich halte es durchaus für möglich, daß er der Mann aus dem Film ist.«
»Der Ihren Tilmann gespielt hat.«
»Ja.«
»Aber was, wenn wir einem Riesenirrtum aufgesessen sind und er eben nicht unser Mann ist?«
»Also«, erwiderte Kämmerer, »harmlos ist er schon mal nicht, wegen der Pistole. Lassen Sie uns doch mal alles aufzählen, was gegen ihn spricht! Erstens, die Waffe. Zweitens. Er sucht nach mir. Drittens. Die Geschichte mit seinem Vater stimmt nicht, ich hatte nie einen Kollegen Vogt. Viertens, sein Verhalten bei der Überwältigung. Jeder andere hätte sich lautstark empört. Er hat nur gesagt: ›Sind Sie verrückt geworden?‹ und danach kein Wort mehr.«
»Doch. Er fragte noch: ›Was hab’ ich Ihnen getan?‹«
»Stimmt. Aber das ist bei dem, was wir mit ihm angestellt haben, äußerst wenig. Und mehr kam dann wirklich nicht, nur der physische Widerstand. Ich finde, das ist ein ganz wichtiges Indiz.«
»Ja, da muß ich Ihnen recht geben.«
»Fünftens könnte man noch anführen, daß er schmächtig ist, aber
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