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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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das will ich gar nicht mitzählen, weil es zu vage ist. Vier Indizien also, und sie sind nicht von Pappe. Ich bin ganz sicher, der Mann hat den Auftrag, mich zu töten, und darum mach’ ich mir jetzt nicht den geringsten Vorwurf.«
»Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, aber wie soll es weitergehen?«
»Wir können ihn nicht der Polizei übergeben, ihn aber auch nicht laufenlassen. Ich muß ihn mir vornehmen, ihn verhören, ihn ausquetschen. Er wird nicht reden wollen und mich also zwingen, hart mit ihm umzugehen. Leider. Aber erst mal bin ich froh, daß wir ihn haben.«
»Ich auch.«
»Nun mein Plan. Ich bringe ihn heute abend in die Fabrik. Da gibt es Räume, die fast nie jemand betritt. Lager, die vollgestopft sind mit altem Gerät, und …«, er sah, daß sie den Kopf schüttelte, fragte: »Was ist dagegen einzuwenden?«
»Eine Menge. Der Transport wäre sicher zu schaffen, obwohl auch der einige Probleme aufwirft. Aber gibt es in Ihrer Fabrik nicht einen Wachdienst, der nachts die Runde macht? Ich glaub’, Sie haben das früher mal erwähnt. Nun gut, man kennt Sie. Sie sind sogar einer der beiden Chefs, aber diese Hürde müßten auch Sie nehmen, weil Sie ja nicht frisch und fröhlich ins Werk marschieren, sondern ein Paket auf dem Rücken haben, ein schweres, langes Paket, das womöglich strampelt.«
»Nein, nein, das Paket bleibt im Kofferraum. Ich kann direkt vors Lager fahren, und was ich da dann mache, kriegt der Wachdienst garantiert nicht mit. Der hat da überhaupt nichts zu suchen.«
»Und wenn Ihr Onkel gerade in diesen Tagen anordnet, das Lager zu räumen? Herr Kämmerer, glauben Sie mir, Sie würden ein zu großes Risiko eingehen!«
»Aber eine andere Möglichkeit habe ich nicht. Mein Haus entfällt. Wenn Vogt nicht zurückkommt, ich meine, wenn er vorerst nicht zurückkommt, schicken seine Auftraggeber einen neuen Mann, und natürlich setzt auch der bei meinem Haus an.«
»Aber nicht bei meinem.«
»Sie wollen … , Frau Engert, Ihre Hilfsbereitschaft hat schon jedes vernünftige Maß überschritten. Sie haben Ängste ausgestanden und den Gefangenen gefesselt und sogar einen Fußtritt abbekommen. Nun reicht es.«
»Nein.« Sie sagte das sehr bestimmt. »Ihr Haus entfällt und die Fabrik ebenso. Wie wollen Sie ihn dort bewachen, ihn verhören, ihn ernähren, ohne daß es Ihren Leuten auffällt? Mein Heizungsraum hat eine zentimeterdicke Stahltür. Hinter der wäre er gut aufgehoben.«
Er sah sie lange an, lächelte, wurde wieder ernst. »Das kann ich nicht annehmen.«
»Sie müssen! Sonst setzen Sie Ihre Sache aufs Spiel und Ihr Leben dazu. Sie sagten, Ihr Haus sei die Anlaufstelle für Vogts Nachfolger. Damit rechne ich auch. Aber es gibt eine zweite Anlaufstelle, und das ist die Fabrik. Wo sonst soll die Stasi anfangen, den Faden aufzurollen? Da kommen doch nur diese beiden Orte in Frage.«
Er schwieg, dachte nach, mußte ihr, obwohl es ihm nicht gefiel, recht geben.
»Das alles kann ein Nachspiel haben«, sagte er schließlich.
»Wir leben in einem Rechtsstaat, in dem jeder private Übergriff auf eine Person geahndet wird, egal, um was für ein Scheusal es sich dabei handelt. Vielleicht klagt man Sie eines Tages der Freiheitsberaubung, ja, der Folterung an, denn Fesseln ist Foltern.«
»Und Sie? Sie hätten das alles doch auch am Hals.«
»Aber es ist mein Fall, und bei mir hat es einen Sinn, den Erfolg meiner Jagd und das Risiko, mit den Gesetzen in Konflikt zu geraten, gegeneinander abzuwägen.«
»Sicher. Bei mir nicht. Nicht so direkt. Aber das Thema hatten wir schon. Ich weiß nur eins. Wenn Sie den Mann in der Fabrik verstecken, werden Sie aller Voraussicht nach mit Ihrem ganzen Vorhaben scheitern.«
Er zögerte noch, rieb sich die Stirn, schüttelte den Kopf. Sie war aufgestanden, schenkte Kaffee ein, setzte sich wieder.
»Ihr Heizungsraum, wie sieht der aus? Was steht da? Auch ein Werkzeugkasten? Mit Zangen womöglich? Dann hat er sich in wenigen Minuten von seinen Fesseln befreit.«
Jetzt war sie es, die lächelte. »Herr Kämmerer, einen Werkzeugkasten könnte man doch entfernen. Aber es steht keiner da. Da steht nur der hohe knallrote Turm meiner Ölheizung. Und weil wir beide ja nun wirklich keine Folterknechte sind, würden wir eine Matratze auf den Fußboden legen.«
Es dauerte noch zehn Minuten, bis Kämmerers Widerstand endgültig gebrochen war. Vor allem das Argument, sein Haus und seine Firma seien, was Vogts Nachfolger betraf, die neuralgischen Punkte, hatte ihn überzeugt.
Sie

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