1996 - Wenn Tazolen meutern
„Also werdet ihr doch rebellieren."
„Nur, wenn es notwendig wird. Dro ga Dremm muss einsehen, dass dieser Krieg verloren ist. Wir wollen nach Hause fliegen, solange wir alle noch unsere Würde haben."
Corr zog die Falten seines Gewandes enger um sich. Seine Haut nässelte stark. Wie konnte er Guranek sagen, dass er im Unrecht war? Er wusste doch selbst, dass es alles stimmte, was er sagte. Und er selbst wollte auch nicht mehr weitermachen. „Also wirst du fortan jeden ziehen lassen, der Fahnenflucht begeht?" fragte er.
Guraneks Zunge fuhr über die breiten Hornlippen. „Ich werde ab jetzt auf keinen meiner Glaubensbrüder mehr schießen, Ehrwürden", gab er zu. „Wenn ich an einer Ecke schieße, brechen an der anderen weitere aus. Genauso gut könnte ich versuchen, eine Horde geflügelter Drumscheks mit dem Zumbel-Seil zu bändigen. Aber ich will keine offene Meuterei anzetteln, sondern sie verhindern. Deswegen bin ich hier. Wir müssen zu einer Einigung kommen."
„Du denkst, dass ich mit euch verhandeln muss?" fuhr Corr auf. „Ich bin euer Befehlshaber!"
„Das mag sein, wie es will", versetzte der Voranese ruhig. „Du kannst mich wegen Aufwiegelung hinrichten lassen. Aber deswegen ändert sich die Einstellung der Soldaten nicht. Ich bin hier, um einen offenen Aufruhr in der Flotte zu vermeiden. Ich weiß, dass andere Scoctoren bereits mit diesem Problem zu kämpfen haben. Und ich will dir sagen, dass wir nicht gegen dich sind - sondern gegen Dro ga Dremm. Ich hätte es nicht nötig, mit dir zu sprechen, wenn wir nicht trotzdem zu dir stehen würden."
„Danke für dein Vertrauen", spottete Corr. „Ich möchte dich bitten, mit uns zusammen zurückzufliegen", fuhr Guranek unbeirrt fort. Der Voranese war jetzt in Fahrt geraten und nicht mehr aufzuhalten. Seine Schuppen zeigten die normale purpurne Färbung. „Du kannst uns nicht alle aufhalten oder abschießen. Komm mit uns oder bleib hier - aber wir werden umkehren. Für uns ist der Kampf vorbei. Die Chearther haben uns besiegt."
Corr re Venth war aufgestanden und zum Altar gegangen. Nachdenklich ruhte sein Blick auf der Xial. Es wäre ganz einfach - ein kurzer Griff, und nach wenigen Sekunden würde der gesamte Stoffwechsel versagen. Ein Tod ohne Schmerzen. Keine Probleme mehr. Aber war es das wert? Wollte er wirklich seiner Angst nachgeben? In Wirklichkeit stand er doch auf Guraneks Seite. Und der wiederum stellte seine Befehlsgewalt nicht in Frage, sondern revoltierte gegen Dro ga Dremm. Damit hatte er doch endlich das, was er brauchte: Verbündete!. Eine Flotte von fast 10.000 Schiffen. Sie konnten den Heimflug antreten und an den Weltraumhäfen Station machen. Keiner würde es wagen, vor einem Scoctoren die Tür zuzuschlagen.
Wer sollte ihn aufhalten? Die anderen Scoctoren waren selbst mit Meuterern beschäftigt. Dro ga Dremm war dem Wahnsinn verfallen und konnte ihn keinesfalls mehr gezielt angreifen. Warum also nicht? Es brach alles auseinander. Er besaß eine ausgezeichnete Flotte, die treu zu ihm stand aber eben nicht mehr diesen Weg gehen wollte. Seine Kommandanten waren keine blind ergebenen Soldaten, sie besaßen die Fähigkeit zu denken und setzten diese auch ein.
Corr drehte sich um und richtete seinen Blick auf Randorus. Er stand still neben dem Terminal. Aber er kannte seinen Taktor lange genug, um zu wissen, dass er voll auf Guraneks Seite stand.
Und eines durfte er nicht vergessen: Vil an Desch lebte noch. Er war ein charismatischer Anführer, dem sie vielleicht alle folgen würden. Er war zum Ketzer gestempelt worden, seit er die Wahrheit gesagt hatte. Corr musste vor sich selbst zugeben, dass er sich die ganze Zeit über bezüglich des Sonnentresors geirrt hatte. Die Tazolen auf Lynkor hatten dasselbe gesagt und ihm sogar holographische Beweise und Daten geliefert. Corr war gläubig, aber nicht blind fanatisch. Er gebrauchte lieber seinen Verstand. „Wie stehst du zu Vil an Desch?" stellte er plötzlich eine unerwartete Frage an den Admiral. .Guranek schnalzte verwirrt mit der Zunge. „Ich verstehe nicht ..."
„Nun, das ist doch eine sehr einfache Frage", unterbrach Corr ungeduldig. „Ihr revoltiert gegen den derzeitigen obersten Scoctoren. Vor ihm hat es einen anderen gegeben, der noch lebt. Würdet ihr ihn akzeptieren?"
„Wovon hängt meine Antwort ab?" wollte Guranek vorsichtig wissen. „Davon, ob ihr erbärmliche Aufrührer und Verräter seid oder linientreu", antwortete Corr prompt. „Wenn ihr überhaupt keinen
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