Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
Sorgen.«
    »Auch wenn man sich keine Sorgen macht, geht alles gut.«
    »Ich weiß«, sagte Tengo. »Kein Grund zur Sorge. Es wird alles gut.«
    Ohne ein Wort zu sagen, verschwand Fukaeri in der Menge hinter der Fahrkartensperre.
    Nachdem sie sich getrennt hatten, ging Tengo in eine kleine Bar in der Nähe der Buchhandlung Kinokuniya und bestellte einen Gin Tonic. Die Bar, die er hin und wieder aufsuchte, war altmodisch eingerichtet, und es wurde keine Musik gespielt. Das gefiel ihm. Er setzte sich an die Theke und betrachtete versonnen seine linke Hand. Die Hand, die Fukaeri noch vor kurzem gehalten hatte. Er konnte die Berührung ihrer Finger noch spüren. Er musste an ihre Brüste denken. Sie waren sehr hübsch. So schön und wohlgeformt waren sie, dass sie dadurch beinahe jede erotische Bedeutung verloren.
    In Tengo stieg der Wunsch auf, seine verheiratete Freundin anzurufen. Er hätte gern mit ihr über ihre Schwierigkeiten bei der Kindererziehung oder den Beliebtheitsgrad der Regierung Nakasone gesprochen. Oder etwas anderes, egal was. Er sehnte sich danach, ihre Stimme zu hören. Und sich möglichst sofort mit ihr zu treffen und mit ihr zu schlafen. Aber er konnte sie nicht zu Hause anrufen. Vielleicht würde ihr Mann ans Telefon gehen. Oder eines ihrer Kinder. Er durfte sie nicht anrufen. So lautete ihre Abmachung.
    Tengo bestellte noch einen Gin Tonic. Während er wartete, stellte er sich vor, dass er in einem kleinen Boot saß und in reißender Strömung dahinschoss. »Wenn wir einen Wasserfall hinunterstürzen, gehen wir zusammen mit Pauken und Trompeten unter«, hatte Komatsu am Telefon gesagt. Aber konnte er sich auf das, was Komatsu sagte, überhaupt verlassen? Würde Komatsu nicht, sobald sie den Wasserfall erreichten, mit einem Satz auf den nächsten Felsen in seiner Reichweite springen? Und ihn sitzen lassen? »Tut mir leid, Tengo, mir fällt gerade ein, dass ich noch etwas ganz Dringendes zu erledigen habe. Aber alles Weitere kannst du mir überlassen.«
    Und er würde rettungslos und allein mit Pauken und Trompeten den Wasserfall hinunterrauschen. Unmöglich war das nicht. Nein, ganz sicher würde es so enden.
    Er fuhr nach Hause, schlief ein und träumte. So realistisch hatte er schon lange nicht mehr geträumt. Er war ein winziges Stück eines gigantischen Puzzles. Aber er veränderte ständig seine Form, weshalb er nirgendwo richtig hineinpasste. Außerdem musste er parallel zu der Aufgabe, seinen Platz im Puzzle zu finden, in einem vorgeschriebenen Zeitraum die Notenblätter für ein Paukenstück aufsammeln. Sie waren von einem starken Windstoß davongeweht und überall verstreut worden. Blatt für Blatt hob er sie auf. Nun musste er die Seitenzahlen überprüfen und in die richtige Reihenfolge bringen. Dabei veränderte er wie eine Amöbe immer wieder seine Form. Er konnte die Situation einfach nicht unter Kontrolle bringen. Irgendwann tauchte Fukaeri auf und ergriff seine linke Hand. Plötzlich hörte Tengo auf, seine Gestalt zu verändern. Auch der Wind legte sich, und die Notenblätter flogen nicht mehr herum. Tengo war erleichtert. Doch währenddessen lief auch seine Zeit ab. »Jetzt ist Schluss«, mahnte Fukaeri mit leiser Stimme und sogar in einem ganzen Satz. Die Zeit blieb pünktlich stehen, und die Welt endete. Die Erdrotation kam zum Stillstand. Alle Geräusche verstummten. Alle Lichter erloschen.
    Als Tengo am nächsten Tag aufwachte, bestand die Welt unverändert fort. Alles war wie vorher. Der große Kreislauf, das riesige Rad der indischen Mythologie, hatte sich wieder in Bewegung gesetzt und überrollte unablässig sämtliche Lebewesen vor sich.

KAPITEL 17
    Aomame
    Glück oder Pech
    Am folgenden Abend waren es noch immer zwei Monde. Der große, Aomame vertraute Mond war in ein sonderbares Weiß getaucht, als sei er gerade einem Ascheberg entstiegen, doch abgesehen davon war es der gute alte Mond. Der Mond, auf den Neil Armstrong im heißen Sommer des Jahres 1969 jenen kleinen und zugleich großen ersten Schritt gesetzt hatte. Neben ihm stand der kleinere, etwas verbeulte grünliche Mond. Ein wenig verlegen, wie ein Kind mit schlechten Noten, schmiegte er sich an den großen.
    Ich bin eindeutig nicht ganz richtig im Kopf, dachte Aomame. Es gab immer nur einen Mond, und auch jetzt kann es nur einen geben. Käme plötzlich ein zweiter hinzu, ergäben sich ja daraus alle möglichen Veränderungen für das Leben auf der Erde. Zum Beispiel würde sich das Verhältnis von Ebbe und

Weitere Kostenlose Bücher