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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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gehangen, und auch der Hund hatte eine ungewöhnlich starke Zuneigung zu ihr. Sie waren die besten Freunde. Sein Tod, zumal so blutig und unerklärlich, hat ihr einen schlimmen Schock versetzt. Das ist völlig natürlich. Alle hier haben einen Schock. Aber bei reiflichem Nachdenken kommt es mir so vor, als könnte der grausame Mord an dem Hund auch eine an Tsubasa gerichtete Botschaft gewesen sein.«
    »Was für eine Botschaft denn?«
    »Dass sie nicht hier sein darf. Wir wissen, dass du dich hier versteckst. Du musst weg. Sonst könnte den Leuten um dich herum etwas Schlimmes zustoßen. Diese Art von Botschaft.«
    Die Finger auf den Knien der alten Dame zerhackten eine imaginäre Zeit in feine Stücke. Aomame wartete, dass sie fortfuhr.
    »Vielleicht hat Tsubasa die Botschaft verstanden und uns aus eigenem Antrieb verlassen. Obwohl sie nicht wollte. Es blieb ihr nichts anderes übrig. Der Gedanke, dass ein zehnjähriges Mädchen einen Entschluss wie diesen fassen musste, ist mir unerträglich.«
    Aomame hätte gern die Hände der alten Dame genommen. Aber sie hielt sich zurück. Sie wusste, dass die Geschichte noch nicht zu Ende war.
    »Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie entsetzlich das für mich ist«, fuhr die alte Dame fort. »Es fühlt sich an, als hätte man mir einen Körperteil abgetrennt. Ich wollte Tsubasa offiziell an Kindes statt annehmen. Natürlich wusste ich, dass das nicht ganz einfach sein würde. Doch trotz aller Schwierigkeiten und wider die Vernunft habe ich es mir gewünscht. Also kann ich mich jetzt auch bei niemandem beklagen. Aber um die Wahrheit zu sagen, man zahlt in meinem Alter einen hohen körperlichen Preis, wenn so etwas passiert.«
    »Aber es könnte doch sein, dass Tsubasa plötzlich wieder auftaucht«, sagte Aomame. »Sie hat ja kein Geld und kann nirgendwo anders hin.«
    »Das würde ich gern glauben, aber es wird nicht geschehen«, sagte die alte Dame mit völlig tonloser Stimme. »Sie ist erst zehn, und dennoch hat sie eigenständig beschlossen, fortzugehen. Von sich aus wird sie nicht zurückkommen.«
    Aomame erhob sich mit einer Entschuldigung, ging zu dem Teewagen an der Tür und schenkte sich Eistee in das grüne der elegant geschliffenen Gläser ein. Weniger weil sie Durst hatte, als um einmal aufzustehen und eine Unterbrechung herbeizuführen. Sie kehrte zum Sofa zurück, nahm einen Schluck Eistee und stellte das Glas auf der gläsernen Tischplatte ab.
    »Wir wollen das Thema Tsubasa vorläufig beiseite lassen.« Die alte Dame wartete, bis Aomame es sich wieder auf dem Sofa bequem gemacht hatte. Hoch aufgerichtet, die Hände fest vor sich gefaltet, schien sie einen Schlusspunkt hinter ihre Gefühle gesetzt zu haben.
    »Wenden wir uns jetzt einmal diesem ›Leader‹ – dem Oberhaupt der Vorreiter – zu. Ich erzähle Ihnen, was ich bisher über ihn in Erfahrung bringen konnte. Aus diesem Grund habe ich Sie hergebeten. Obwohl das letzten Endes natürlich auch etwas mit Tsubasa zu tun hatte.«
    Aomame nickte. Sie hatte es vorausgesehen.
    »Also: Wir müssen diesen sogenannten ›Leader‹ unter allen Umständen beseitigen . Das heißt, ins Jenseits befördern . Wie Sie wissen, hat dieser Mensch die Angewohnheit, zehnjährige Mädchen zu vergewaltigen. Mädchen, die noch nicht ihre erste Periode hatten. Um seine Taten zu rechtfertigen, bedient er sich einer religiösen Gruppe und einer Lehre, die er sich eigens zurechtgebastelt hat. Soweit es möglich war, habe ich möglichst ausführliche Erkundigungen eingezogen, die ich mir etwas habe kosten lassen. Das war gar nicht so einfach. Es waren höhere Summen nötig, als ich erwartet hatte. Immerhin konnten wir vier Mädchen identifizieren, die mutmaßlich von diesem Mann vergewaltigt worden sind. Tsubasa ist das vierte.«
    Aomame griff nach ihrem Glas und trank einen Schluck Eistee. Er schmeckte nach nichts. Als sei ihr Mund voll Watte, die jeden Geschmack aufsog.
    »Die Einzelheiten stehen noch nicht fest, aber zumindest leben zwei der vier Mädchen weiterhin in der Gruppe«, sagte die alte Dame. »Sie sollen eine Art Tempeldienerinnen an der Seite des Leaders sein. Die gewöhnlichen Mitglieder bekommen sie nie zu Gesicht. Ob diese Mädchen aus freien Stücken geblieben sind, nicht fliehen konnten oder aus anderen Gründen keine Wahl hatten, wissen wir nicht. Auch nicht, ob zwischen ihnen und dem Leader noch immer sexuelle Beziehungen bestehen. Jedenfalls leben sie mit ihm zusammen. Wie in einer Familie. Der Wohnbereich des

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