1Q84: Buch 1&2
Gebühr in Anspruch genommen. Nun muss ich wohl leider aufgeben und den Rückzug antreten.«
Dennoch machte Ushikawa keinerlei Anstalten, aufzustehen. Stattdessen kratzte er sich geräuschvoll am Hinterkopf und blinzelte.
»Nur, Herr Kawana, vielleicht sind Sie sich selbst dessen nicht bewusst, aber Sie haben eine vielversprechende Zukunft als Autor vor sich. Sie haben Talent. Mathematik und Literatur mögen vielleicht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, aber selbst bei Ihrem Mathematikunterricht hat man den Eindruck, einer Geschichte zuzuhören. Das beherrscht nicht jeder so ohne Weiteres. Sie haben etwas zu erzählen. Das ist offenkundig – selbst für jemanden wie mich. Deshalb müssen Sie unbedingt besser auf sich achten. Vielleicht mache ich mir unnötige Sorgen, aber Sie sollten lieber entschlossen und geradeaus Ihren eigenen Weg gehen, ohne sich mit überflüssigen Dingen abzugeben.«
»Was für überflüssige Dinge?«, fragte Tengo.
»Zum Beispiel scheinen Sie in einer gewissen Beziehung zu Eriko Fukada zu stehen, der Verfasserin von Die Puppe aus Luft . Zumindest haben Sie sich schon mehrmals mit ihr getroffen. Das stimmt doch, nicht wahr? Und den heutigen Zeitungen zufolge – ich habe es gerade zufällig gelesen – soll sie verschwunden sein. Die Medien werden sicher bald ein großes Tamtam veranstalten. So etwas ist ein gefundenes Fressen für die Klatschpresse.«
»Was geht es Sie an, ob ich mich mit Eriko Fukada treffe?«
Ushikawa zeigte Tengo wieder seine Handflächen. Er hatte kleine Hände, und seine Finger glichen prallen Würstchen. »Bitte, bitte, regen Sie sich nicht auf. Ich habe es doch nicht böse gemeint. Ich will ja nur sagen, es bringt nichts, wenn Sie Ihre Zeit und Ihr Talent verkaufen, um Ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Es steht mir wahrscheinlich nicht zu, aber ich möchte nicht mit ansehen, wie ein ausgezeichnetes Talent wie das Ihre, Herr Kawana, ein ungeschliffener Diamant sozusagen, solchen Banalitäten geopfert wird und Schaden nimmt. Sollte die Sache zwischen Ihnen und Frau Fukada an die Öffentlichkeit gelangen, wird man auch Sie aufsuchen. Und das kann unangenehme Folgen haben. Man wird ausspionieren, was ist und was nicht ist. Denn Journalisten sind eine hartnäckige Bande.«
Tengo sah Ushikawa stumm ins Gesicht. Dieser kniff die Augen zusammen und rieb sich ein für die geringe Größe seiner Ohren überdimensionales Ohrläppchen. Der Körperbau dieses Menschen war in jeder Hinsicht ein ermüdender Anblick.
»Nein, nein, aus meinem Mund erfährt niemand etwas«, versicherte Ushikawa und machte eine Geste, als würde er seinen Mund mit einem Reißverschluss zuziehen. »Das verspreche ich Ihnen. Schauen Sie, meine Lippen sind versiegelt. Man könnte mich direkt als Inkarnation einer Venusmuschel bezeichnen, so verschlossen bin ich. Ich bewahre alles fest in meiner Brust. Aus persönlicher Sympathie für Sie, Herr Kawana.«
Bei diesen Worten erhob sich Ushikawa endlich von seinem Sessel und versuchte mehrmals, wenn auch erfolglos, seinen zerknitterten Anzug glattzustreichen. Er zog damit nur unnötige Aufmerksamkeit auf sich.
»Sollten Sie Ihre Meinung wegen des Stipendiums noch ändern, rufen Sie bitte jederzeit die Nummer auf der Visitenkarte an. Wenn nicht in diesem Jahr, dann vielleicht im nächsten. Sie haben Zeit.« Er ließ seine beiden Zeigefinger umeinander kreisen, eine Geste, die wohl zeigen sollte, wie die Erde sich um die Sonne drehte. »Wir haben keine Eile. Zumindest hatte ich Gelegenheit, Sie kennenzulernen, mit Ihnen zu sprechen und Ihnen unsere Botschaft zu überbringen.«
Ushikawa lächelte noch einmal freundlich, und nachdem er eine Sekunde beinahe ostentativ seine schadhaften Zähne gezeigt hatte, machte er kehrt und verließ den Empfangsraum.
Bis zum Beginn seiner nächsten Stunde rief Tengo sich alles, was Ushikawa gesagt hatte, noch einmal genau ins Gedächtnis. Der Mann schien zu wissen, dass Tengo an der Produktion von Die Puppe aus Luft beteiligt war. Die Art, in der er sich ausgedrückt hatte, legte es nahe. ES BRINGT NICHTS, WENN SIE IHRE ZEIT UND IHR TALENT VERKAUFEN, UM SICH IHREN LEBENSUNTERHALT ZU VERDIENEN , hatte er bedeutungsvoll gesagt.
Wir wissen Bescheid – das war wohl die Botschaft, die man ihm schickte.
ZUMINDEST HATTE ICH GELEGENHEIT, SIE KENNENZULERNEN, MIT IHNEN ZU SPRECHEN UND IHNEN UNSERE BOTSCHAFT ZU ÜBERBRINGEN .
Ob jemand Ushikawa eigens mit einem einjährigen »Fördergeld« von drei Millionen
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