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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Yen zu Tengo geschickt hatte, nur um ihm diese Botschaft zu übermitteln? Das ergab keinen Sinn. Warum sollte jemand sich deshalb eine so komplizierte Geschichte ausdenken? Wer auch immer es war, sie kannten seine Schwachstelle. Wenn sie Tengo also drohen wollten, hätten sie von Anfang an die Fakten auf den Tisch legen können. Oder ob dieses »Fördergeld« ein Versuch war, Tengo zu bestechen? Jedenfalls war das Ganze nur Theater. Und wer waren überhaupt sie ? Ob diese Stiftung in irgendeiner Beziehung zu den Vorreitern stand? Gab es den Verein überhaupt?
    Tengo nahm Ushikawas Visitenkarte und ging damit ins Sekretariat. »Ich hätte noch eine Bitte«, sagte er.
    »Ja?« Die Sekretärin hob auf ihrem Stuhl sitzend den Kopf.
    »Würden Sie diese Nummer anrufen und sich erkundigen, ob es dort eine gewisse Stiftung zur Förderung neuer japanischer Wissenschaften und Künste gibt? Und fragen, ob Herr Direktor Ushikawa im Haus ist? Man wird Ihnen sagen, er sei nicht da, und es wäre nett, wenn Sie fragen könnten, gegen wie viel Uhr er wieder zurück ist. Sollte man Sie nach Ihrem Namen fragen, weichen Sie aus. Ich würde es selbst machen, aber ich möchte nicht, dass meine Stimme erkannt wird.«
    Die Sekretärin tippte die Nummer ein, auf der anderen Seite wurde abgehoben, und jemand meldete sich vorschriftsmäßig. Es folgte ein kurzes, dienstliches Gespräch von Profi zu Profi.
    »Also: Es gibt dort tatsächlich eine Stiftung zur Förderung neuer japanischer Wissenschaften und Künste . Eine Frau vom Empfang war am Apparat. Sie war höchstens Mitte zwanzig. Alles ziemlich normal. Auch ein Mann namens Ushikawa arbeitet wirklich dort. Er wird gegen halb vier im Büro zurückerwartet. Nach meinem Namen hat sie nicht gefragt. Ich an ihrer Stelle hätte das natürlich getan.«
    »Natürlich«, sagte Tengo. »Haben Sie vielen Dank.«
    »Gern geschehen«, sagte sie, indem sie ihm Ushikawas Visitenkarte zurückgab. »Der vorhin hier war, war das Herr Ushikawa?«
    »Ja.«
    »Ich habe ihn ja nur kurz gesehen, aber er machte einen ziemlich unangenehmen Eindruck auf mich.«
    Tengo verstaute die Visitenkarte in seinem Portemonnaie. »Er hätte sicher auch bei längerem Hinsehen nicht gewonnen.«
    »Normalerweise hüte ich mich davor, jemanden nach seiner äußeren Erscheinung zu beurteilen. Ich habe mich dabei schon öfter getäuscht und es später bereut. Aber bei diesem Menschen hatte ich auf den ersten Blick das Gefühl, dass man ihm nicht trauen kann. Das finde ich noch immer.«
    »Da sind Sie nicht die Einzige«, sagte Tengo.
    »Da bin ich nicht die Einzige«, wiederholte sie, als wolle sie sich der Korrektheit seiner Syntax vergewissern.
    »Ihre Jacke ist ausgesprochen hübsch«, sagte Tengo. Es war kein Kompliment, mit dem er sich bei ihr einschmeicheln wollte, sondern seine aufrichtige Meinung. Nach Ushikawas zerknittertem billigem Anzug erschien ihm ihre elegant geschnittene Leinenjacke wie ein edles Gewand, das an einem windstillen Nachmittag vom Himmel geschwebt war.
    »Danke«, sagte sie.
    »Aber wenn sich am Telefon jemand meldet, muss das ja nicht unbedingt heißen, dass die Stiftung zur Förderung neuer japanischer Wissenschaften und Künste auch wirklich real ist«, sagte Tengo.
    »Da haben Sie recht. Allerdings wäre das ein ziemlich aufwendiges Täuschungsmanöver, finden Sie nicht? Eigens ein Telefon einzurichten und eine Telefonistin zu engagieren. Wie in Der Clou . Warum sollte sich jemand so viel Mühe machen? Verzeihen Sie, wenn ich das sage, aber Sie sehen nicht gerade aus, als wäre bei Ihnen viel zu holen.«
    »Das stimmt, ich habe nichts«, sagte Tengo. »Mein einziger Besitz ist meine Seele.«
    »Wie in dieser Geschichte mit Mephisto«, sagte sie.
    »Vielleicht sollte ich mal zu dieser Adresse hingehen und nachschauen, ob es dort tatsächlich ein Büro gibt.«
    »Wenn Sie es herausgefunden haben, erzählen Sie es mir, ja?«, sagte sie, während sie mit zusammengekniffenen Augen ihren Nagellack inspizierte.
    Die Stiftung zur Förderung neuer japanischer Wissenschaften und Künste existierte tatsächlich. Nach Unterrichtsschluss fuhr Tengo mit der Bahn bis Yotsuya und ging von dort aus zu Fuß nach Kojimachi. Die Adresse auf der Visitenkarte entpuppte sich als dreistöckiges Gebäude, an dessen Eingang eine goldfarbene Tafel mit dem Namen der Stiftung angebracht war. Sie befand sich im zweiten Stock. Dort hatten außerdem ein Musikverlag namens Mikimoto und ein Wirtschaftsprüfer mit Namen Koda ihre

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