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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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habe ich eine Bitte. In meiner Wohnung steht ein Gummibaum. Ich konnte ihn nirgends unterbringen. Würdest du dich um ihn kümmern?«
    »Mache ich.«
    »Danke.«
    »Ein Gummibaum ist immerhin einfacher als eine Katze oder tropische Fische. Noch etwas?«
    »Nein, das war’s. Was sonst noch übrig ist, kann weg.«
    »Wenn du fertig bist, fährst du zum Bahnhof Shinjuku und rufst von dort aus wieder diese Nummer an. Dann gebe ich dir die nächste Anweisung.«
    »Wenn ich fertig bin, rufe ich vom Bahnhof Shinjuku diese Nummer an«, wiederholte Aomame.
    »Dir ist klar, dass du sie dir nicht notieren darfst? Den Pager zerstörst du, sobald du aus dem Haus bist, und wirfst ihn irgendwo weg.«
    »In Ordnung, mache ich.«
    »Der ganze Ablauf ist genau geplant. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Alles Folgende kannst du uns überlassen.«
    »Ich mache mir keine Sorgen«, sagte Aomame.
    Tamaru schwieg einen Augenblick. »Darf ich dir meine ehrliche Meinung sagen?«
    »Nur zu.«
    »Ich will nicht behaupten, dass das, was ihr da macht, sinnlos wäre. Das ist euer Problem, nicht meins. Aber ich finde es gelinde gesagt ziemlich unüberlegt. Man kann so etwas nicht abschaffen .«
    »Kann sein«, sagte Aomame. »Aber das ändert nichts.«
    »Wenn es Frühling wird, gibt es Lawinen. Das ist das Gleiche.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Aber ein normaler Mensch, der einigermaßen bei Verstand ist, geht während der Schneeschmelze nicht ins Gebirge.«
    »Ein normaler Mensch, der bei Verstand ist, würde von vornherein dieses Gespräch nicht mit dir führen.«
    »Mag sein«, gab Tamaru zu. »Übrigens, hast du eine Familie, die im Falle einer Lawine zu benachrichtigen ist?«
    »Nein.«
    »Du hattest nie eine oder du hast eine und doch keine ?«
    »Letzteres.«
    »Gut«, sagte Tamaru. »Frei zu sein ist das Beste. Ein Gummibaum ist die ideale Verwandtschaft.«
    »Ich hatte bei Madame einen Goldfisch gesehen, und plötzlich wollte ich auch einen. Ich dachte, es wäre nett, einen zu Hause zu haben. Sie sind klein, leise und angeblich sehr anspruchslos. Und so bin ich am nächsten Tag in einen Laden am Bahnhof gegangen, um einen zu kaufen, aber als ich die Goldfische in dem Aquarium gesehen habe, wollte ich plötzlich keinen mehr. Also habe ich diesen armseligen Gummibaum gekauft, den niemand haben wollte. Statt eines Goldfischs.«
    »Ich finde, du hast die richtige Wahl getroffen.«
    »Vielleicht werde ich niemals einen Goldfisch kaufen können.«
    »Vielleicht«, sagte Tamaru. »Du kannst doch wieder einen Gummibaum nehmen.«
    Es herrschte ein kurzes Schweigen.
    »Heute Abend 19 Uhr, Hotel Okura, Foyer Hauptgebäude«, vergewisserte sich Aomame noch einmal.
    »Du brauchst nur dort zu sitzen und zu warten. Sie werden dich abholen.«
    »Die anderen finden mich.«
    Tamaru räusperte sich leicht. »Kennst du übrigens die Geschichte von der Maus und dem Kater, der Vegetarier ist?«
    »Nein.«
    »Möchtest du sie hören?«
    »Unbedingt.«
    »Die Maus begegnet auf dem Speicher einem großen Kater. Er treibt sie in eine Ecke, aus der sie nicht entkommen kann. ›Herr Kater‹, sagt sie. ›Ich bitte Euch, fresst mich nicht. Ich muss zu meiner Familie zurück. Meine hungrigen Kinder warten. Bitte, verschont mich doch.‹ Der Kater sagt: ›Keine Angst. So was wie dich fresse ich nicht. Ich darf es gar nicht laut sagen, aber ich bin Vegetarier und nehme überhaupt kein Fleisch zu mir. Du hast Glück, dass du mich getroffen hast.‹ Im nächsten Augenblick stürzt er sich auf die Maus, packt sie mit seinen Krallen und schlägt ihr seine scharfen Zähne in den Hals. Mit letzter Kraft fragt die arme Maus den Kater: ›Habt Ihr nicht gesagt, dass Ihr Vegetarier seid und kein Fleisch esst? Warum habt Ihr gelogen?‹ Der Kater leckt sich die Lippen und sagt: ›Ich habe nicht gelogen, ich esse wirklich kein Fleisch. Ich nehme dich nur ins Maul und tausche dich gegen einen Salat ein.‹«
    Aomame überlegte. »Und was ist die Pointe?«
    »Es gibt keine Pointe. Aber als wir vorhin über das Glück sprachen, musste ich plötzlich an diese Geschichte denken. Das ist alles. Natürlich steht es dir frei, eine Pointe zu finden.«
    »Eine herzerwärmende Geschichte.«
    »Noch etwas. Du wirst bestimmt durchsucht, auch deine Tasche. Diese Leute sind äußerst misstrauisch. Daran solltest du denken.«
    »Ich werde es nicht vergessen.«
    »Na dann«, sagte Tamaru. »Ich hoffe, wir sehen uns irgendwo wieder.«
    »Ja, irgendwo«, wiederholte Aomame reflexartig.
    Damit

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