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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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war das Telefonat beendet. Sie warf einen Blick auf den Hörer, verzog leicht das Gesicht und legte ihn zurück auf die Gabel. Nachdem sie sich die Nummer auf dem Display des Pagers eingeprägt hatte, vernichtete sie ihn. Irgendwo sehen wir uns wieder, wiederholte sie bei sich. Obwohl sie wusste, dass sie Tamaru, wenn alles vorbei war, niemals wiedersehen würde.
    Sie blätterte die Morgenzeitung von vorn bis hinten durch, konnte aber keinen Artikel mehr über den Mord an Ayumi entdecken. Anscheinend machten die Ermittlungen keine Fortschritte. Wahrscheinlich würden die Illustrierten den Fall bald aufgreifen und eine Sensation daraus machen. Eine junge Polizistin hatte in einem Love-Hotel in Shibuya ihre Handschellen bei Liebesspielen benutzt. Und war splitternackt erwürgt worden. Dieses reißerische Zeug wollte Aomame wirklich nicht lesen. Seit dem Mord verspürte sie auch nicht die geringste Lust, den Fernseher einzuschalten. Sie hätte es nicht ertragen, von der hohen künstlichen Stimme einer Nachrichtensprecherin über die näheren Umstände von Ayumis Tod aufgeklärt zu werden.
    Natürlich wollte sie, dass der Täter geschnappt wurde. Er musste bestraft werden. Aber was half es schon, wenn man ihn verhaftete, vor Gericht stellte und die Einzelheiten klärte? Eines war sicher: Nichts von alledem würde Ayumi wieder lebendig machen. Vermutlich würde das Urteil sogar ziemlich milde ausfallen, weil das Gericht nicht von Mord, sondern von fahrlässiger Tötung ausgehen würde. Doch selbst wenn man den Mann zum Tode verurteilte, es wäre keine Wiedergutmachung. Aomame faltete die Zeitung zusammen und vergrub, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, ihr Gesicht in den Händen. Und dachte an Ayumi. Aber es kamen keine Tränen. Nur Wut stieg in ihr auf.
    Bis sieben Uhr abends war noch viel Zeit. Aomame hatte keinen Kurs im Sportstudio und den ganzen Tag nichts vor. Ihre kleine Reisetasche und ihre Umhängetasche hatte sie auf Tamarus Anraten längst in einem Schließfach am Bahnhof Shinjuku deponiert. In der Reisetasche befanden sich ein Bündel Bargeld und Kleidung zum Wechseln für mehrere Tage. Aomame war jeden dritten Tag zum Bahnhof gefahren, hatte den Inhalt überprüft und neue Münzen eingeworfen. Die Wohnung sauberzumachen, war überflüssig, und kochen konnte sie auch nichts mehr, denn der Kühlschrank war nahezu leer. In ihrer Wohnung gab es abgesehen von dem Gummibaum kein Anzeichen mehr dafür, dass sie einmal dort gewohnt hatte. Jeder persönliche Hinweis auf sie war getilgt, alle Schubladen waren leer. Morgen würde sie verschwunden sein, ohne eine Spur zu hinterlassen.
    Die Kleidungsstücke, die sie am Abend tragen würde, lagen säuberlich gefaltet auf dem Bett. Daneben stand ihre blaue Sporttasche mit allen Utensilien, die sie für ihr Stretching brauchte. Aomame ging auch sie zur Sicherheit noch einmal durch. Ihr Trikot – Oberteil und Hose –, die Yogamatte, ein großes und ein kleines Handtuch und das zierliche Hartschalenetui mit dem feinen Eispick. Alles da. Sie nahm ihn aus dem Etui. Nachdem sie ihn vorsichtig aus dem Korken gezogen und seine Spitze mit dem Finger geprüft hatte, schliff sie diese sicherheitshalber mit einem kleinen Wetzstein nach. Sie stellte sich vor, wie die Spitze des Eispicks lautlos und wie von jener besonderen Stelle eingesogen im Nacken des Mannes versank. Wie immer würde alles in einem Augenblick vorbei sein. Kein Schrei, kein Blut. Nur ein kurzer Krampf. Aomame steckte die Spitze in den Korken und verstaute den Eispick wieder behutsam in seinem Etui.
    Dann nahm sie die in das T-Shirt gewickelte Heckler & Koch aus dem Schuhkarton und lud mit geübten Griffen das Magazin mit sieben 9-mm-Kugeln. Mit einem trockenen Klacken rutschte die erste Patrone in die Kammer. Nachdem sie die Waffe einmal ent- und wieder gesichert hatte, wickelte sie sie in ein weißes Taschentuch, legte sie in einen Kunststoffbeutel und bedeckte sie mit Unterwäsche. Von der Pistole war nichts mehr zu sehen.
    Gab es sonst noch etwas, das sie erledigen musste?
    Aomame fiel nichts mehr ein. Sie machte sich in der Küche einen Kaffee, zu dem sie, am Tisch sitzend, ein Croissant verzehrte.
    Das wird wohl meine letzte Mission, dachte sie. Und meine wichtigste und schwierigste. Wenn ich sie erfüllt habe, brauche ich nie wieder einen Menschen zu töten.
    Sie hatte nichts dagegen, ihre Identität aufzugeben. In gewissem Sinn begrüßte sie es sogar. Sie hing weder an ihrem Namen noch an ihrem Gesicht,

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