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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Gewissheit, dass er seine Freundin wohl nie wiedersehen würde.
    Natürlich hatte er Kyoko Yasuda nur in einem sehr konkreten Sinn geliebt. Nie daran gedacht, mit ihr zusammenzuleben oder dass es schwer werden könnte, sich von ihr zu trennen. Heftige Gefühlsaufwallungen hatte er ihr gegenüber auch nie verspürt, dennoch hatte er sich an diese Frau gewöhnt, die älter war als er, und echte Zuneigung für sie empfunden. Er hatte sich immer auf den Tag gefreut, an dem sie ihn besuchte und sie miteinander schliefen. So etwas kam bei Tengo nicht häufig vor. Auf die meisten anderen Frauen hatte er sich nicht so einlassen können. Oder vielleicht sollte man sagen, dass die meisten Frauen Unbehagen in ihm erzeugten, ob er nun eine sexuelle Beziehung zu ihnen hatte oder nicht. Und um dieses Unbehagen nicht nach außen dringen zu lassen, musste er gewisse Teile von sich regelrecht abschotten. Mit anderen Worten, es blieb ihm nichts anderes übrig, als verschiedene Kammern seines Herzens fest zu verschließen. Aber bei Kyoko Yasuda waren solche komplizierten Vorsichtsmaßnahmen nicht nötig. Sie schien von vornherein zu wissen, was Tengo wollte und was er nicht wollte, und er hatte sich glücklich geschätzt, ihr zufällig begegnet zu sein.
    Doch nun war etwas passiert, und sie war verlorengegangen. Aus irgendeinem Grund konnte sie nicht mehr zu ihm kommen, ganz gleich in welcher Form . Und ihrem Mann zufolge war es besser, wenn Tengo nichts über die Ursache und ihre Auswirkungen erfuhr.
    Tengo saß auf dem Boden – er konnte immer noch nicht schlafen – und hörte leise Duke Ellington, als wieder das Telefon läutete. Die Wanduhr zeigte zwölf Minuten nach zehn. Wer außer Komatsu würde um diese Uhrzeit anrufen? Aber das Klingeln hörte sich nicht nach ihm an. Bei ihm klang es hektisch und ungeduldig. Vielleicht hatte dieser Yasuda noch etwas vergessen zu sagen. Tengo hätte am liebsten nicht abgehoben. Erfahrungsgemäß bedeuteten Anrufe zu dieser Stunde nichts Gutes. In Anbetracht der Lage hatte er jedoch keine andere Wahl.
    »Herr Kawana, nicht wahr?«, sagte ein Mann. Es war nicht Komatsu. Und auch nicht Yasuda. Die Stimme gehörte unzweifelhaft Ushikawa. Er sprach, als hätte er den Mund voll Wasser oder sonst einer Flüssigkeit. Spontan erschienen sein sonderbares Gesicht und sein flacher asymmetrischer Kopf vor Tengos innerem Auge.
    »Entschuldigen Sie, dass ich Sie so spät noch störe. Ushikawa hier. Und dass ich letztes Mal Ihre Zeit so über Gebühr in Anspruch genommen habe. Ich hätte Sie heute früher angerufen, aber ich hatte etwas sehr Dringendes zu erledigen, und ehe ich mich versah, war es schon zehn. Mir ist natürlich bewusst, dass Sie früh aufstehen und früh zu Bett gehen. Das ist großartig. Bis spät in die Nacht seine Zeit zu vertrödeln führt zu rein gar nichts. Am besten ist es, sich ins Bett zu begeben, sobald es dunkel wird, und morgens mit dem ersten Sonnenstrahl aufzustehen. Doch instinktiv, so könnte man sagen, hatte ich plötzlich das Gefühl, dass Sie heute Abend länger auf sind, Herr Kawana. Deshalb belästige ich Sie, obwohl ich Ihre Gewohnheiten kenne, noch mit diesem Anruf. Wie ist es? Störe ich Sie?«
    Ushikawas Gerede missfiel Tengo. Es gefiel ihm auch nicht, dass dieser Mann offenbar seine Privatnummer hatte. Und von wegen instinktiv. Der Kerl wusste genau, dass Tengo nicht schlafen konnte, und hatte ihn deshalb angerufen. Vielleicht hatte Ushikawa gesehen, dass in seiner Wohnung Licht brannte. Wurde er beobachtet? Er malte sich aus, wie einer der wackeren Kundschafter der Stiftung mit einem starken Fernglas seine Wohnung ausspionierte.
    »Ich war tatsächlich noch auf«, sagte Tengo. »Ihr Instinkt hat nicht getrogen. Wahrscheinlich liegt es an dem starken grünen Tee, den ich vorhin getrunken habe.«
    »Ach, das tut mir leid. Wenn man nicht schlafen kann, kommen einem oft unangenehme Gedanken in den Sinn. Kann ich kurz etwas mit Ihnen besprechen?«
    »Wenn es nichts ist, das mir noch mehr den Schlaf raubt.«
    Ushikawa brach in amüsiertes Gelächter aus. Auf der anderen Seite der Leitung – irgendwo auf dieser Welt – wackelte er wahrscheinlich mit seinem verbeulten Kopf. »Hahaha! Sie sind sehr witzig, Herr Kawana. Ein Wiegenlied kann ich Ihnen nicht gerade singen, aber um den Schlaf bringen werde ich Sie auch nicht. Seien Sie ganz beruhigt. Es geht lediglich um ein Ja oder Nein. Das Fördergeld, Sie wissen schon. Die drei Millionen Yen für ein Jahr. Ist das kein

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