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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Störung. Mein Name ist Yasuda«, sagte der Mann. Sein Ton war neutral. Weder freundschaftlich noch feindselig. Auch nicht besonders dienstlich, ohne jedoch vertraulich zu sein.
    Yasuda? Auch der Name sagte Tengo nichts.
    »Ich habe Ihnen etwas auszurichten«, sagte der andere. Er machte eine winzige Pause, so als würde er ein Lesezeichen zwischen die Seiten eines Buches legen. »Meine Frau kann nicht mehr zu Ihnen kommen. Das war es, was ich Ihnen sagen wollte.«
    Tengo schnappte nach Luft. Yasuda war der Familienname seiner Freundin. Kyoko Yasuda, genau, so hieß sie. Sie hatte nie einen Grund gehabt, ihren Namen in seiner Gegenwart auszusprechen, deshalb war er ihm nicht gleich eingefallen. Der Anrufer war ihr Mann. Tengo schluckte schwer.
    »Haben Sie mich verstanden?«, fragte der Mann ohne die geringste Regung in der Stimme. Zumindest nahm Tengo nichts dergleichen wahr. Nur sein Tonfall hatte eine leichte Färbung. Eventuell stammte er aus Hiroshima oder Kyushu, jedenfalls aus dem Südwesten. Tengo konnte das nicht unterscheiden.
    »Sie kann nicht kommen«, wiederholte Tengo.
    »Genau, sie kann Sie nicht mehr besuchen.«
    Tengo nahm all seinen Mut zusammen. »Was ist denn mit ihr?«, fragte er.
    Schweigen. Unbeantwortet und ziellos hing Tengos Frage im Raum. Schließlich ergriff der andere das Wort: »Meine Frau wird Sie nie wieder in Ihrer Wohnung aufsuchen. Mehr wollte ich Ihnen nicht mitteilen.«
    Der Mann wusste, dass Tengo und seine Frau miteinander schliefen. Dass sie sich seit einem Jahr einmal pro Woche trafen. Da war Tengo sich sicher. Merkwürdigerweise klang die Stimme des anderen weder zornig noch bekümmert. Sie hatte etwas völlig Andersartiges an sich. Anstelle persönlicher Gefühle schien sie einen objektiven Katastrophenzustand zu konstatieren. Sie erinnerte Tengo an einen verlassenen, verwilderten Garten oder an ein Flussbett nach einer großen Flut.
    »Ich verstehe nicht …«
    »Belassen Sie es einfach dabei«, unterbrach ihn der Mann. In seiner Stimme war nun ein Anflug von Mattheit zu hören. »Eins steht fest. Meine Frau ist verlorengegangen. Sie wird nie mehr zu Ihnen kommen, ganz gleich in welcher Form. So ist das.«
    »Verlorengegangen«, wiederholte Tengo geistesabwesend.
    »Herr Kawana, auch ich würde dieses Telefonat lieber nicht führen. Aber Sie derart im Ungewissen zu lassen hätte mich nicht ruhig schlafen lassen. Glauben Sie, es gefällt mir, über dieses Thema mit Ihnen zu sprechen?«
    Als der andere schließlich schwieg, drang überhaupt kein Geräusch mehr aus dem Hörer. Der Mann schien von einem unglaublich ruhigen Ort aus zu telefonieren. Oder seine Gefühle erzeugten eine Art Vakuum, das alle Schallwellen um ihn herum schluckte.
    Ich muss etwas fragen, dachte Tengo. Sonst ist alles zu Ende, und mir bleibt nichts außer diesen unverständlichen Andeutungen. Ich darf das Gespräch nicht abbrechen lassen. Doch der Mann hatte von vornherein nicht die Absicht gehabt, ihm Einzelheiten mitzuteilen. Was sollte man jemanden fragen, der gar nicht vorhatte, die Fakten preiszugeben? Mit welchen Worten konnte Tengo in das Vakuum vordringen? Während er noch fieberhaft überlegte, wurde die Verbindung ohne jede Vorwarnung unterbrochen. Der Mann hatte ohne ein weiteres Wort aufgelegt und sich damit entzogen. Wahrscheinlich für immer.
    Tengo hielt den stummen Hörer noch einen Moment ans Ohr gepresst. Vielleicht konnte er so herausfinden, ob sein Telefon abgehört wurde. Er lauschte mit angehaltenem Atem. Doch er nahm keine verdächtigen Geräusche wahr. Nur seinen eigenen Herzschlag. Während er darauf lauschte, kam er sich vor wie ein gemeiner Dieb, der sich nächtens in die Häuser anderer Menschen stahl. Der dort im Dunkeln mit angehaltenem Atem lauerte, bis die Bewohner in tiefen Schlaf gefallen waren.
    Um sich zu beruhigen, setzte Tengo einen Kessel mit Wasser auf und machte sich grünen Tee. Mit der Teeschale setzte er sich an den Tisch und ließ sich das ganze Telefonat noch einmal durch den Kopf gehen. »Meine Frau ist verlorengegangen. Sie wird nie mehr zu Ihnen kommen, ganz gleich in welcher Form«, hatte der Mann gesagt. Sie wird nie mehr zu Ihnen kommen, ganz gleich in welcher Form . Diese Formulierung verwirrte Tengo besonders. Sie gab ihm das Gefühl von etwas Dunklem, Feuchtem, Glitschigem.
    Offenbar hatte dieser Yasuda ihm deutlich machen wollen, dass es seiner Frau gänzlich unmöglich war, Tengo noch einmal zu besuchen, selbst wenn sie den Wunsch verspürt hätte.

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