1Q84: Buch 1&2
machen. Man musste mit dem auskommen, was man hatte.
KAPITEL 4
Tengo
Wenn Sie möchten
Tengo wurde vom Telefon geweckt. Laut Leuchtanzeige seines Weckers war es kurz nach eins. Mitten in der Nacht natürlich. Er wusste gleich, dass der Anruf von Komatsu kam. Er kannte sonst niemanden, der ihn um ein Uhr nachts anrufen würde. Und kein Mensch außer Komatsu würde es so hartnäckig klingeln lassen und einfach nicht aufgeben, bis der Angerufene abhob. Komatsu hatte kein Gefühl für den richtigen Augenblick. Sobald ihm etwas einfiel, rief er an. Die Uhrzeit spielte keine Rolle. Ob mitten in der Nacht oder am frühen Morgen, in der Hochzeitsnacht, auf dem Totenbett – der prosaische Gedanke, dass er den Angerufenen eventuell stören könnte, schien ihm nicht in seinen eiförmigen Kopf zu kommen.
Aber das konnte er nicht bei allen machen. Immerhin war auch Komatsu ein Mensch mit einem Arbeitsplatz und einem Gehalt. Es war unmöglich, dass er dieses ungehörige Verhalten unterschiedslos auf alle ausdehnte. Bei Tengo ging das, weil dieser sein Partner war. Komatsu sah in ihm mehr oder weniger eine Verlängerung seiner selbst. So etwas wie seine Arme und Beine. Deshalb machte er keinen Unterschied zwischen sich und ihm. Er rechnete fest damit, dass, wenn er wach war, sein Freund auch wach sein musste. Allerdings ging Tengo, sofern er nichts vorhatte, um zehn Uhr schlafen und stand um sechs Uhr auf. Er führte im Allgemeinen ein sehr geregeltes Leben. Er hatte einen tiefen Schlaf. Aber wenn er einmal geweckt wurde, konnte er nicht so leicht wieder einschlafen. Aus dem Schlaf gerissen zu werden machte ihn nervös. Er hatte Komatsu auch schon mehrmals darauf hingewiesen. Ihn ausdrücklich gebeten, ihn nicht mehr mitten in der Nacht aus dem Bett zu klingeln. Aber das war nicht anders, als würde ein Bauer Gott bitten, vor der Ernte keinen Heuschreckenschwarm zu schicken. »Einverstanden. Ich werde dich nicht mehr nachts anrufen«, sagte Komatsu. Aber da dieses Versprechen keine festen Wurzeln in seinem Bewusstsein schlug, wurde es beim ersten Regen sogleich wieder davongespült.
Tengo kroch aus dem Bett und tastete sich murrend zum Telefon in der Küche vor. Währenddessen klingelte es unbarmherzig weiter.
»Ich habe mit Fukaeri gesprochen«, sagte Komatsu, indem er sich wie üblich die Begrüßung schenkte und umstandslos zur Sache kam. Kein »Hast du schon geschlafen?« oder »Tut mir leid, dass ich so spät anrufe.« Tengo musste ihn unwillkürlich bewundern.
Er stand mit gerunzelter Stirn im Dunkeln und schwieg. Wenn man ihn mitten in der Nacht aus dem Schlaf riss, verweigerte sein Verstand eine Weile den Dienst.
»He, hörst du mir zu?«
»Ja, ich höre.«
»Ich habe nur am Telefon mit ihr gesprochen. Die meiste Zeit habe nur ich geredet, und sie hat zugehört. Also, als gesprächig kann man sie nicht gerade bezeichnen. Sie ist auf alle Fälle ein wortkarges Mädchen. Sie hat auch eine ziemlich exzentrische Art zu sprechen. Das wirst du auch noch merken. Jedenfalls habe ich ihr in groben Zügen meinen Plan erklärt. Dass wir ihr helfen und ›Die Puppe aus Luft‹ zu dritt redigieren, es in eine bessere Form bringen, und wie es wäre, den Debütpreis zu bekommen, solches Zeug eben. So am Telefon wollte ich die Sache möglichst allgemein halten. Allzu offen darüber zu sprechen könnte mir in meiner Position doch gefährlich werden. Über alles Konkrete muss man persönlich mit ihr reden, sie treffen und fragen, ob sie Interesse daran hat oder nicht.«
»Und?«
»Sie hat nicht geantwortet.«
»Wie, nicht geantwortet?«
Hier machte Komatsu eine effektvolle Pause. Er steckte sich eine Zigarette in den Mund und zündete sie mit einem Streichholz an. Es war durch das Telefon zu hören, und Tengo sah ihn dabei ganz deutlich vor sich. Komatsu benutzte kein Feuerzeug.
»Fukaeri sagt, sie möchte dich zuerst kennenlernen«, erklärte Komatsu, während er den Rauch ausstieß. »Ob sie überhaupt Interesse an der Sache hat, hat sie nicht gesagt. Weder, dass wir es machen dürfen, noch, dass sie nichts davon wissen will. Sie wird uns ihre Antwort geben, nachdem ihr euch getroffen und persönlich miteinander gesprochen habt. Ziemlich verantwortungsbewusst, findest du nicht?«
»Und?«
»Hast du morgen Abend schon was vor?«
Sein Unterricht an der Yobiko begann am Morgen und endete um vier Uhr nachmittags. Glücklicher- oder unglücklicherweise hatte er danach nichts geplant. »Nein«, sagte Tengo.
»Dann sei bitte
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