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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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wusste, dass er tot war. Nein, die Little People wussten es wahrscheinlich auch. Deshalb hatten sie auch das Donnern aufgegeben. Sämtliche Drohgebärden waren nun vergeblich, das wussten sie. Der Mann, den sie zu ihrem Stellvertreter auserkoren hatten, war aus dem Leben geschieden.
    Aomame öffnete die Tür und betrat, um sich blickend, den erleuchteten Nebenraum. Behutsam schloss sie die Tür hinter sich, tat, als wolle sie keinen Lärm machen. Der Kahlkopf saß auf dem Sofa und trank Kaffee. Auf dem Tisch stand ein großes Tablett mit einer Kanne und ein paar Sandwiches, die etwa zur Hälfte aufgegessen waren. Offenbar hatte er sie beim Zimmerservice bestellt. Daneben standen zwei noch unbenutzte Tassen. Sein Kollege mit dem Pferdeschwanz saß genau wie zuvor hoch aufgerichtet auf dem Rokokostuhl an der Tür. Anscheinend hatten sich die beiden die ganze Zeit kaum von der Stelle gerührt. Eine Atmosphäre von Vorbehalt lag in der Luft.
    Als Aomame eintrat, stellte der Kahle seine Tasse auf dem Untersetzer ab und erhob sich.
    »Ich bin fertig«, sagte Aomame. »Er schläft jetzt. Ich habe ziemlich lange gebraucht. Seine Muskulatur war voller Blockaden. Lassen Sie ihn bitte jetzt schlafen.«
    »Er schläft?«
    »Ganz tief«, sagte Aomame.
    Der Kahlkopf musterte Aomame, sah ihr forschend und tief in die Augen. Anschließend senkte er seinen Blick langsam auf seine Schuhspitzen, wie um zu überprüfen, ob sich dort nichts verändert hatte, dann schaute er wieder auf und ihr ins Gesicht.
    »Ist das normal?«
    »Viele Menschen fallen nach dem Lockern stark verspannter Muskulatur erst einmal in einen tiefen Schlaf. Daran ist nichts Ungewöhnliches.«
    Der Kahlkopf ging zur Tür, die den Wohnraum vom Schlafzimmer trennte, drehte leise den Türknauf, öffnete die Tür einen Spalt und spähte hinein. Aomame legte die rechte Hand an die Seite ihrer Trainingshose, um notfalls sofort die Pistole ziehen zu können. Nachdem der Mann etwa zehn Sekunden gewartet hatte, zog er den Kopf zurück und schloss die Tür.
    »Wie lange wird er schlafen?«, fragte er. »Wir können ihn ja nicht ewig da auf dem Boden liegen lassen.«
    »Er wird in etwa zwei Stunden aufwachen. Bis dahin lassen Sie ihn bitte möglichst in dieser Haltung ausruhen.«
    Der Kahle sah auf die Uhr. Dann nickte er kurz.
    »In Ordnung. Wir lassen ihn eine Weile in Ruhe«, sagte er. »Möchten Sie vielleicht duschen?«
    »Nein, danke, nicht nötig, aber ich würde mich gern wieder umziehen.«
    »Selbstverständlich. Bitte, das können Sie im Bad tun.«
    Aomame hätte sich am liebsten so schnell wie möglich und so wie sie war aus dem Staub gemacht. Aber sie durfte keinen Argwohn erwecken. Auch für den Rückweg musste sie die Sachen anziehen, in denen sie gekommen war. Also ging sie ins Bad und zog ihr Trikot aus. Sie entledigte sich ihrer schweißfeuchten Unterwäsche, trocknete sich mit ihrem Badehandtuch ab und zog frische an. Dann schlüpfte sie in die blaue Baumwollhose und die weiße Bluse, die sie ursprünglich getragen hatte. Sie schob sich die Pistole so in den Hosenbund, dass sie von außen unsichtbar war, und machte verschiedene Bewegungen, um sich zu vergewissern, dass sie nicht unnatürlich wirkten. Sie wusch sich das Gesicht mit Seife und bürstete sich die Haare. Um ihre verkrampften Gesichtsmuskeln zu lockern, zog sie vor dem großen Spiegel über dem Waschbecken die wildesten Grimassen. Als sie nach einer Weile wieder eine normale Miene aufsetzen wollte, dauerte es einen Moment, bis ihr einfiel, wie das aussah. Erst nach einigen Fehlschlägen gelang ihr ein einigermaßen entspannter Ausdruck. Prüfend starrte sie in den Spiegel. Kein Problem. Ihr Gesicht wirkte ganz alltäglich. Sie brachte sogar ein Lächeln zustande. Ihre Hände zitterten nicht, und auch ihr Blick war fest. Aomame war cool wie immer.
    Aber als sie aus dem Schlafzimmer gekommen war, hatte der Kahle ihr Gesicht genau in Augenschein genommen. Vielleicht hatte er gesehen, dass sie zuvor geweint hatte. Sie hatte länger geweint, das musste Spuren hinterlassen haben. Dieser Gedanke beunruhigte Aomame. Womöglich hatte der Mann sich gefragt, warum jemand bei einem Muskelstretching in Tränen ausbrechen sollte und ob nicht doch etwas Außergewöhnliches vorgefallen war. Hatte die Tür zum Schlafzimmer geöffnet, war an die Gestalt des Leaders herangetreten und hatte festgestellt, dass sein Herz nicht mehr schlug …
    Aomame fasste sich an den Rücken, um sich zu vergewissern, dass die Pistole

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