1Q84: Buch 1&2
Blutbahnen gepumpt und gründlich in seinem ganzen Körper verteilt wurde. In seiner Brust ballte sich etwas zu einer dichten kleinen Wolke zusammen, die den Rhythmus seines Atems veränderte und sein Herz hämmern ließ.
Tengo dachte, dass er den Sinn und Zweck dieses Ereignisses sicher später einmal verstehen würde. Deshalb musste er diesen Moment so genau und deutlich wie möglich in seinem Bewusstsein festhalten. Im Augenblick war er nur ein zehnjähriger Junge, der gut in Mathematik war. Er stand an der Schwelle zu etwas Neuem, aber was genau ihn erwartete, wusste er nicht. Er war unsicher, ahnungslos, verstört und fürchtete sich nicht wenig. Das war ihm sogar selbst klar. Auch das Mädchen erwartete nicht, hier und jetzt verstanden zu werden. Alles, was sie wollte, war, Tengo ihre Gefühle zu übermitteln. Sie hatte sie in eine kleine solide Schachtel gepackt, die sie nun, in Geschenkpapier gewickelt und mit einer Kordel verschnürt, Tengo überreichte.
Du musst das Päckchen nicht gleich öffnen, erklärte sie ihm wortlos. Mach es auf, wenn die Zeit dazu gekommen ist. Vorläufig sollst du es einfach annehmen.
Sie weiß schon so vieles, dachte Tengo. Vieles, was er nicht wusste. Auf diesem unbekannten Terrain hatte sie die Führung inne. Es gab neue Regeln hier, neue Ziele und eine neue Dynamik. Tengo wusste nichts. Sie wusste .
Wenig später gab die rechte Hand des Mädchens Tengos linke wieder frei, und es lief wortlos und ohne sich umzudrehen aus dem Klassenzimmer. Tengo blieb allein in dem großen Raum zurück. Durch das geöffnete Fenster ertönten Kinderstimmen.
Im nächsten Augenblick merkte Tengo, dass er ejakulierte. Heftig und lange. Eine große Menge Samenflüssigkeit wurde aus ihm herausgeschleudert. Was mache ich hier eigentlich, fragte sich Tengo verwirrt. Nach Schulschluss in einem Klassenzimmer zu ejakulieren, gehörte sich ja nun wirklich nicht. Wie peinlich wäre es, ertappt zu werden. Doch er war ja gar nicht mehr in seinem Klassenzimmer. Unversehens war er wieder zu Hause und ejakulierte in Fukaeris Gebärmutter. Er wollte es nicht, aber zurückhalten konnte er sich auch nicht. Die Situation war ihm völlig entglitten.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Fukaeri kurz darauf mit ihrer üblichen tonlosen Stimme. »Ich werde nicht schwanger. Weil ich keine Periode habe.«
Tengo öffnete die Augen und sah sie an. Sie saß noch auf ihm und schaute auf ihn herunter. Ihre ideal geformten Brüste hoben und senkten sich regelmäßig im Rhythmus ihrer Atmung. Direkt vor seinen Augen.
War das die Reise in die Stadt der Katzen?, wollte Tengo fragen. Was ist das überhaupt – die Stadt der Katzen? Er wollte die Frage aussprechen, aber die Muskeln seines Mundes versagten ihm den Dienst.
»Das war etwas, das getan werden musste«, sagte Fukaeri, als habe sie seine Gedanken gelesen. Ihre Antwort war kurz und bündig, beantwortete jedoch nichts. Wie immer.
Tengo schloss wieder die Augen. Er war dort gewesen, hatte ejakuliert und war wieder hierher zurückgekehrt. Es war eine echte Ejakulation gewesen, auch das Sperma war echt. Und wenn Fukaeri es sagte, hatte es wohl so sein müssen. Das Gefühl von Taubheit war noch nicht von ihm gewichen. Die Ejakulation hatte eine Mattigkeit hinterlassen, die ihn umgab wie ein dünner Film.
Fukaeri verharrte lange in der gleichen Haltung und nahm Tengos Samenflüssigkeit vollständig in sich auf, wie ein Insekt, das Nektar saugt. Buchstäblich bis zum letzten Tropfen. Erst dann entließ sie behutsam seinen Penis, stieg wortlos aus dem Bett und ging ins Bad. Das Unwetter hatte sich verzogen, ohne dass er es gemerkt hatte. Auch der heftige Regen hatte aufgehört. Die schwarzen Wolken, die sich so hartnäckig über seinem Haus gehalten hatten, waren spurlos verschwunden. Es herrschte eine fast unwirkliche Stille. Nur aus dem Bad war leise zu hören, wie Fukaeri duschte. Den Blick an die Decke gerichtet, wartete Tengo, dass sein ursprüngliches Körpergefühl zurückkehrte. Die Erektion bestand noch, doch ihre Härte schien, wie zu erwarten war, allmählich abzunehmen.
Mit einem Teil seines Herzens war Tengo noch in dem Klassenzimmer seiner Grundschule. An seiner linken Hand spürte er noch immer lebhaft den Druck der Finger des Mädchens. Zwar konnte er die Hand nicht heben, um sie zu betrachten, aber bestimmt hatten ihre Nägel rote Male darin hinterlassen. Auch sein Herzschlag bewahrte noch etwas von der erlebten Aufregung. Obwohl die kompakte Wolke aus
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