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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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aneinanderreihte.
    »Das heißt, ich warte im vordersten Wagen am Gleis der Chuo-Linie stadtauswärts auf dich, ja?«
    »Ja.«
    »Bis wohin soll ich die Fahrkarte lösen?«
    »Egal.«
    »Ich kaufe einfach eine Fahrkarte und löse dann bei der Ankunft nach, ja?«, ergänzte Tengo den Satz seiner Vermutung entsprechend. Das Ganze hatte Ähnlichkeit mit der Arbeit an »Die Puppe aus Luft«. »Demnach haben wir also einen ziemlich weiten Weg vor uns?«
    »Was haben Sie gerade gemacht?«, fragte Fukaeri, Tengos Frage ignorierend.
    »Abendessen.«
    »Was denn?«
    »Nur für mich, nichts Großartiges. Ich brate getrockneten Hecht, dazu gibt es geriebenen Rettich und Misosuppe mit kleinen Miesmuscheln und Frühlingszwiebeln. Dann esse ich noch etwas Tofu, Reis und eingelegten Chinakohl. Das war’s.«
    »Klingt lecker.«
    »Na ja, so etwas Besonderes ist das nun auch wieder nicht. Eigentlich esse ich immer so ähnlich«, sagte Tengo.
    Fukaeri schwieg. Längere Gesprächspausen schienen sie nicht sonderlich zu stören. Bei Tengo war das etwas anderes.
    »Ach ja, heute habe ich mit der Überarbeitung von ›Die Puppe aus Luft‹ angefangen«, sagte er. »Zwar noch ohne deine endgültige Erlaubnis, aber wir können es uns nicht leisten, einen ganzen Tag zu vergeuden.«
    »Das klingt nach Herrn Komatsu.«
    »Stimmt. Er hat gesagt, ich soll schon mal anfangen.«
    »Sie sind gut mit Herrn Komatsu befreundet.«
    »Kann sein.« Wahrscheinlich gab es nirgendwo auf der ganzen Welt einen Menschen, der gut mit Komatsu befreundet war. Aber es hätte zu lange gedauert, ihr das zu erklären.
    »Die Arbeit geht gut voran.«
    »Im Augenblick ja. Einigermaßen.«
    »Freut mich«, sagte Fukaeri. Es schien nicht einfach nur so dahingesagt, sondern hörte sich an, als würde sie sich wirklich darüber freuen, dass er mit der Bearbeitung gut vorankam. Soweit ihre eingeschränkte Fähigkeit, ihre Gefühle auszudrücken, dies gestattete.
    »Hoffentlich gefällt dir, was ich gemacht habe«, sagte Tengo.
    »Keine Sorge«, erwiderte Fukaeri prompt.
    »Warum bist du dir so sicher?«, fragte Tengo.
    Statt einer Antwort schwieg Fukaeri nur in den Hörer. Es war eine Art absichtsvolles Schweigen, vielleicht, um Tengo zu veranlassen, etwas Bestimmtes zu denken. Aber auch wenn er seine ganze Weisheit bemühte, hatte Tengo nicht die geringste Ahnung, warum sie ein so starkes Vertrauen zu ihm hatte.
    Um das Schweigen zu brechen, sagte er: »Übrigens gibt es etwas, das ich dich gern fragen würde. Hast du etwa wirklich in einer Kommune gelebt und diese Ziege gehütet? Deine Beschreibung dieser Dinge ist unheimlich lebensecht. Ich würde gern wissen, ob das wirklich passiert ist.«
    Fukaeri räusperte sich leise. »Ich spreche nicht über die Ziege.«
    »Das ist völlig in Ordnung«, sagte Tengo. »Du musst nicht darüber sprechen, wenn du nicht willst. Es war nur eine Frage. Mach dir keine Gedanken. Für Schriftsteller ist ihr Werk alles. Sie brauchen keine zusätzlichen Erklärungen abzugeben. Wir sehen uns am Sonntag. Gibt es etwas, das ich beachten sollte, wenn ich dieser Person begegne?«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Also … wie ich mich am besten verhalten soll oder ob ich ein kleines Geschenk mitbringen soll – so was eben. Ich habe ja nicht die leiseste Ahnung, um wen es sich handelt.«
    Wieder schwieg Fukaeri. Doch diesmal lag keine Absicht in ihrem Schweigen. Für sie war das Ziel von Tengos Frage oder die Vorstellung dahinter einfach nicht fassbar. Seine Frage hatte sozusagen keinen Landeplatz in ihrem Bewusstsein. Sie schoss über ihren Horizont hinaus und wurde ins ewige Nichts gesogen. Wie eine einsame Raumsonde, die an Pluto vorbeigesaust war.
    »Kein Problem. Ist nicht wichtig«, sagte Tengo ergeben. Es war ein Fehler gewesen, Fukaeri diese Frage überhaupt zu stellen. Er konnte ja noch irgendwo unterwegs ein bisschen Obst als Gastgeschenk kaufen.
    »Also dann, Sonntag um neun Uhr«, sagte Tengo.
    Nach ein paar Sekunden hängte Fukaeri wortlos auf. Nicht mal »Auf Wiedersehen« oder »Bis Sonntag« hatte sie gesagt. Einfach aufgelegt.
    Oder vielleicht hatte sie auch erst aufgelegt, nachdem sie zustimmend genickt hatte. Leider zeigte Körpersprache am Telefon wenig Wirkung.
    Tengo legte den Hörer auf die Gabel, atmete zweimal tief durch und wandte sich wieder substantielleren Dingen zu. Wie der Zubereitung seines bescheidenen Abendessens.

KAPITEL 7
    Aomame
    So sacht, dass man einen schlafenden Schmetterling
    nicht weckt
    Am

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