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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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weiterverkauft werden konnten. Dadurch fielen ihnen riesige Summen in den Schoß. Außerdem verteidigte er mit großem Geschick Personen, die wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung angeklagt waren. Der Großteil seiner Klienten bestand aus zwielichtigen Gestalten, die zu vertreten sich jeder seriöse Anwalt zweimal überlegt hätte. Ushikawa aber nahm jeden Auftrag an, ganz gleich von wem (solange die Kasse stimmte). Er war gerissen und meist erfolgreich. So mangelte es ihm nie an Klienten. Auch seine Beziehung zu den Vorreitern stammte aus dieser Zeit. Aus unerfindlichen Gründen hatte der Leader persönlich Gefallen an ihm gefunden.
    Wahrscheinlich hätte Ushikawa als gewöhnlicher Anwalt gar nicht seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Er hatte zwar einen Universitätsabschluss, das Staatsexamen und eine Anwaltslizenz, verfügte jedoch nicht über die notwendigen Beziehungen. Wegen seiner äußeren Erscheinung stellte ihn keine der renommierten Anwaltskanzleien ein. Selbst wenn er eine eigene Kanzlei eröffnet hätte, hätte er vermutlich kaum Aufträge bekommen. Es gab nicht viele Menschen auf der Welt, die bereit waren, sich einen Anwalt von Ushikawas bizarrem Aussehen zu nehmen und ihm ein hohes Honorar zu zahlen. Vielleicht waren auch die Gerichtsshows im Fernsehen schuld; jedenfalls überwog landläufig die Ansicht, ein erstklassiger Anwalt müsse stets ein Mann mit regelmäßigen, intelligenten Gesichtszügen sein.
    So ergab es sich fast zwangsläufig, dass Ushikawa mit der Unterwelt in Berührung kam. Dort scherte man sich nicht um sein Äußeres. Vielmehr trug diese Eigenart dazu bei, dass die Ganoven Ushikawa vertrauten und ihn als einen der ihren anerkannten. Denn wie sie wurde auch er von der Gesellschaft abgelehnt. Sie schätzten Ushikawas rasche Auffassungsgabe, seine praktische Intelligenz und seine Verschwiegenheit. Man übertrug ihm den Auftrag, gewaltige Geldsummen zu bewegen, und zahlte ihm großzügige Provisionen. Ushikawa seinerseits eignete sich schnell die nötigen Tricks an, um am Rande der Legalität und an den Behörden vorbei zu operieren. Sein untrüglicher Instinkt und seine Wachsamkeit kamen ihm dabei zugute. Doch wie es der Teufel wollte, unterlief ihm eines Tages aus Gier eine Fehleinschätzung, und er überschritt die feine Grenze zur Illegalität. Mit knapper Not entging er einer Verurteilung, wurde aber aus der Tokioter Anwaltskammer ausgestoßen.
    Ushikawa schaltete das Radio ab und rauchte eine Seven Stars. Er sog den Rauch tief in die Lungen ein und ließ ihn langsam wieder entweichen. Als Aschenbecher benutzte er die leere Pfirsichdose. Wenn er diese Lebensweise fortführte, läge sein Tod vielleicht gar nicht so fern. Er würde ausgleiten und allein in die Dunkelheit stürzen. Es kümmerte niemanden, wenn er aus dieser Welt verschwand. Er konnte weinen und schreien in der Finsternis, niemand würde ihn hören. Was blieb ihm also übrig als zu leben, bis er eben starb, und zwar auf seine Weise, auch wenn sie vielleicht nicht sehr rühmlich war. Denn eine andere Art zu leben kannte er nicht. Und in Angelegenheiten, die nicht gerade rühmlich waren, war Ushikawa so tüchtig wie kaum ein anderer auf der Welt.
     
    Um halb drei kam eine junge Frau mit Baseballmütze aus der Haustür. Sie trug nichts bei sich und durchquerte eilig Ushikawas Blickfeld. Er drückte auf den Auslöser, und die Kamera machte drei Bilder. Er sah das Mädchen zum ersten Mal. Ein schönes Mädchen mit langen schlanken Armen und Beinen. Sie hatte eine gute Haltung und sah aus wie eine Ballerina. Sie war sechzehn oder siebzehn Jahre alt, trug verwaschene Jeans, weiße Turnschuhe und eine maskulin wirkende Lederjacke. Ihre Haare verschwanden im Kragen der Jacke. Als sie das Haus verlassen hatte, blieb sie nach ein paar Schritten stehen und blickte mit zusammengekniffenen Augen an den Strommasten hinauf. Dann schaute sie wieder zu Boden und setzte sich erneut in Bewegung. Sie bog nach links ab und verschwand.
    Das Mädchen sah jemandem ähnlich. Jemandem, den Ushikawa kannte. Den er vor kurzem gesehen hatte. Vielleicht jemandem aus einer Talentsuche im Fernsehen? Aber Ushikawa sah so gut wie nie fern, nur die Nachrichten. Er konnte sich nicht erinnern, jemals Interesse an hübschen weiblichen Fernsehstars gehabt zu haben.
    Ushikawa brachte sein Gedächtnis auf Hochtouren. Die Augen zusammengekniffen, wrang er seine Gehirnzellen aus wie einen Wischlappen. Seine Nerven schmerzten vor Anstrengung. Und

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