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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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lang gar nichts passiert«, sagte Komatsu. »Ich aß das Essen, das man mir brachte, schlief auf der Pritsche, wenn das Licht aus war, wachte auf und benutzte die kleine Toilette, die an das Zimmer angeschlossen war. Sie hatte sogar eine Art Sichtschutz, aber abschließen konnte man nicht. Es war noch ziemlich heiß um die Zeit, aber die Lüftung schien mit einer Klimaanlage verbunden zu sein, sodass ich nichts von der Hitze spürte.«
    Schweigend nahm Tengo Komatsus Bericht entgegen.
    »Dreimal am Tag bekam ich etwas zu essen. Um welche Uhrzeit, weiß ich nicht. Die Armbanduhr hatten sie mir abgenommen. Das Zimmer hatte keine Fenster, ich wusste nicht mal, ob es Tag oder Nacht war. Kein Laut war zu hören, auch wenn ich noch so sehr die Ohren spitzte. Meine Geräusche drangen sicher auch nicht nach außen. Keine Ahnung, wohin die mich gebracht hatten. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es sehr abgelegen war. Jedenfalls geschah drei Tage lang gar nichts. Zumindest vermute ich, dass es drei Tage waren, denn in entsprechenden Abständen wurde mir neunmal Essen gebracht. Dreimal wurde das Licht im Zimmer gelöscht, und dreimal schlief ich. Ich habe von Natur aus einen leichten und unregelmäßigen Schlaf, aber aus unerfindlichen Gründen hatte ich an diesem Ort nie Einschlafschwierigkeiten und schlief immer tief und fest. Sehr sonderbar, wenn man darüber nachdenkt. Kannst du mir folgen?«
    Tengo nickte stumm.
    »In diesen drei Tagen habe ich nicht ein einziges Wort gesprochen. Der junge Mann, der mir das Essen brachte, war schlank, er trug eine Baseballmütze und eine weiße Gesichtsmaske. Außerdem so was wie einen Trainingsanzug und schmutzige Turnschuhe. Das Essen brachte er auf einem Tablett, das er, wenn ich fertig war, wieder abholte. Ich aß von Papptellern und mit läppischem Plastikbesteck. Es war irgendwelches Fertigfutter, aber nicht ungenießbar. Viel war es auch nicht gerade. Also hatte ich immer ziemlichen Kohldampf und aß alles auf. Das wundert mich noch heute. Normalerweise habe ich kaum Appetit, und im schlimmsten Fall vergesse ich schon mal, überhaupt etwas zu essen. Zu trinken gaben sie mir nur Milch und Mineralwasser. Keinen Kaffee, keinen Tee, keinen Single Malt und kein Fassbier. Nicht mal was zu rauchen hatte ich. Aber gut, schließlich war ich ja nicht zur Erholung in einem Luxushotel.«
    Wie aufs Stichwort zog Komatsu eine Schachtel rote Marlboro hervor, steckte sich eine in den Mund und zündete sie mit einem Pappstreichholz an. Er sog den Rauch tief in seine Lungen und ließ ihn langsam wieder entweichen.
    »Der, der mir das Essen brachte, sprach von Anfang bis Ende kein Wort«, fuhr er mit einem Stirnrunzeln fort. »Bestimmt auf Anweisung seiner Vorgesetzten. Offensichtlich war er weit unten in der Rangordnung, eine Art Mädchen für alles. Aber ich vermute, er beherrschte irgendeine Kampfsportart. Seine Bewegungen wirkten jedenfalls sehr kontrolliert.«
    »Und Sie haben ihm keine Fragen gestellt?«
    »Mir war sofort klar, dass ich sowieso keine Antwort bekommen würde. Also hielt ich lieber gleich die Klappe. Aß die Mahlzeiten, die er mir brachte, trank brav meine Milch, schlief im Bett, wenn das Licht ausging, und stand auf, wenn es wieder anging. Morgens legte der Junge mir einen elektrischen Rasierapparat und eine Zahnbürste hin. Dann rasierte ich mich und putzte mir die Zähne. Sobald ich fertig war, nahm er die Sachen wieder mit. Außer Klopapier gab es in dem Zimmer nichts, das die Bezeichnung Komfort verdient hätte. Duschen oder Kleidung wechseln war nicht drin, aber ich hatte auch gar nicht das Bedürfnis. Nicht mal einen Spiegel gab es, aber das war nicht mal besonders unangenehm. Das Schlimmste war die Untätigkeit. Vom Aufwachen bis zum Schlafengehen allein in einem weißen Würfel zu hocken kann äußerst langweilig werden. Schließlich bin ich süchtig nach Gedrucktem und kann ohne nicht leben. Ich brauche was zu lesen, egal was, und sei es die Speisekarte vom Zimmerservice. Aber es gab nichts, kein Buch, keine Zeitung, keine Zeitschrift. Nicht mal Fernsehen, Radio oder irgendein Spiel. Niemanden, mit dem ich reden konnte. Ich konnte nur auf dem Stuhl sitzen und den Fußboden, die Wände oder die Decke anstarren. Ein irres Gefühl. Stell dir doch mal vor, du gehst die Straße entlang, wirst von irgendwelchen Typen gepackt, und sie halten dir einen Lappen mit Chloroform vor die Nase. Dann bringen sie dich betäubt irgendwohin und sperren dich in irgendeinen

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