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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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gibt es nicht.
     
    Den Rücken an die Wand gelehnt, beobachtete Ushikawa durch den Vorhangspalt das Kommen und Gehen im Haus. Vielleicht überlegte Fukaeri es sich ja doch anders und kam zurück. Oder sie hatte etwas Wichtiges in der Wohnung vergessen. Aber natürlich hoffte er vergeblich. Sie hatte sich entschieden, fortzugehen, und würde nie mehr zurückkommen.
    Ushikawa verbrachte den Nachmittag in einem Gefühl großer Ohnmacht, die weder Form noch Gewicht hatte. Sein Blut floss langsam und träge. Er sah leicht verschwommen und hatte keine Kraft in seinen Gelenken. Sobald er die Augen schloss, spürte er den Schmerz, den Fukaeris Blick zurückgelassen hatte, bis ins Mark. Dieser Schmerz kam und ging, wie Wellen, die an den Strand schlagen. Hin und wieder schwoll er so stark an, dass Ushikawa das Gesicht verzog. Doch zugleich bemerkte er, dass der Schmerz auch eine nie gekannte Wärme mit sich brachte.
    Seine Frau und seine beiden Töchter in dem Haus mit dem kleinen Garten in Chuorinkan hatten Ushikawa nie ein solches Gefühl der Wärme gegeben. In seinem Herzen war immer eine Art Eisklumpen gewesen, der niemals geschmolzen war. Mit diesem harten, eisigen Kern in der Brust hatte er sein Leben verbracht. Er hatte die Kälte nicht einmal gespürt, denn für ihn war das die normale Temperatur. Doch Fukaeri hatte diesen eisigen Kern in einem einzigen Augenblick zum Schmelzen gebracht. Seither verspürte Ushikawa diesen Schmerz in der Brust. Vielleicht hatte die innere Kälte ihn bisher nur betäubt. Als psychische Selbstschutzmaßnahme sozusagen. Doch nun hatte er diesen Schmerz erhalten. Er begrüßte ihn gewissermaßen sogar. Denn mit dem Schmerz ging die Wärme einher. Solange er den Schmerz nicht verspürt hatte, war auch die Wärme nicht da gewesen. Es war eine Art Tauschhandel.
    Ushikawa saß an einem sonnigen Fleckchen in seinem Zimmer und genoss Schmerz und Wärme zugleich. In aller Ruhe, ohne sich zu bewegen. Es war ein schöner, windstiller Wintertag. Die Menschen auf der Straße spazierten durch das heitere Licht, doch die Sonne neigte sich bereits gen Westen und verschwand bald hinter den Gebäuden und mit ihr das sonnige Fleckchen. Sogleich verlor sich die Wärme des Nachmittags, und ein kalter Winterabend brach an.
    Mit einem tiefen Seufzer riss Ushikawa sich von der Wand los. Etwas taub fühlten sich seine Gliedmaßen noch an, aber nicht so sehr, dass es ihn daran gehindert hätte, sich im Zimmer zu bewegen. Er stand langsam auf, streckte Arme und Beine und ließ seinen kurzen Hals ausgiebig kreisen. Mehrmals öffnete und schloss er die Hände. Dann machte er seine gewohnten Übungen auf den Tatami-Matten. Sämtliche Gelenke knackten, aber seine Muskeln gewannen allmählich ihre Elastizität zurück.
    Es waren die Stunden, in denen die Menschen von der Arbeit oder der Schule nach Hause kamen. Zeit, die Observierung wieder aufzunehmen, ermahnte Ushikawa sich. Hier ging es nicht um Lust oder Unlust und auch nicht um richtig oder falsch. Er musste das, was er begonnen hatte, zu Ende bringen. Umso mehr, als auch noch sein eigenes Schicksal davon abhing. Er konnte schließlich nicht für immer auf dem Grund seiner Höhle hocken und träumen.
    Also bezog Ushikawa wieder seinen Posten hinter der Kamera. Inzwischen war es dunkel geworden, und die Flurbeleuchtung hatte sich eingeschaltet. Wahrscheinlich geschah das mit Hilfe eines Timers. Die Bewohner kehrten ins Haus zurück wie irgendwelche gewöhnlichen Vögel in ihre Nester. Tengo Kawana war nicht dabei. Aber in nicht allzu ferner Zeit würde auch er wieder auftauchen. Er konnte sich ja nicht ewig um seinen Vater kümmern. Bestimmt würde er Anfang der nächsten Woche nach Tokio zurückkommen und seine Arbeit an der Yobiko wieder aufnehmen. In ein paar Tagen. Nein, wahrscheinlich schon heute oder morgen, sagte Ushikawas Instinkt.
    Vielleicht bin ich einfach eine widerliche kleine Kreatur, ein Insekt, das unter einem feuchten Felsen haust. Mag sein, ich gebe es ja freiwillig zu. Aber ich bin ein sehr tüchtiges, ausdauerndes und zähes Insekt, das nicht so leicht lockerlässt. Wenn ich einmal eine Spur habe, verfolge ich sie unnachgiebig. Ich überwinde jede Mauer, und sei sie noch so hoch. Ich muss nur den Eisklumpen in meiner Brust zurückgewinnen. Ich brauche ihn jetzt.
    Ushikawa rieb sich die Hände und vergewisserte sich dabei, dass er alle zehn Finger ungehindert bewegen konnte.
    Es gibt eine Menge Dinge, die normale Menschen können, ich aber

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