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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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nicht. Tennis spielen zum Beispiel. Ski fahren gehört auch dazu. In einer Firma fest angestellt sein oder ein glückliches Familienleben führen. Auf der anderen Seite kann ich einiges, was normale Leute nicht können. Und in diesen wenigen Dingen bin ich sehr gut. Ich erwarte keinen Beifall. Und auch nicht, dass man mir Münzen zuwirft. Trotzdem habe ich der Welt ein paar Kunststücke zu bieten.
    Um halb zehn beendete Ushikawa seine Observation für diesen Tag. Er kippte sich eine Dose Hühnersuppe in eine Kasserolle, erhitzte sie auf dem Campingkocher und löffelte sie genießerisch aus. Dazu aß er zwei Brötchen. Zum Nachtisch schälte er sich einen Apfel. Er ging auf die Toilette, putzte sich die Zähne, legte den Schlafsack aus und kroch, nur mit seiner Unterwäsche bekleidet, hinein. Er zog den Reißverschluss bis obenhin zu und rollte sich zusammen wie eine Raupe.
    So endete Ushikawas Tag. Viel hatte er nicht erreicht. Eigentlich hatte er nur erfahren, dass Fukaeri ihre Sachen gepackt hatte und fortgegangen war. Wohin, wusste er nicht. Irgendwohin . Ushikawa schüttelte im Schlafsack den Kopf. Sie war an einen Ort gegangen, der nichts mit ihm zu tun hatte. Bald erwärmte sich sein durchgefrorener Körper, sein Bewusstsein schwand, und er fiel in einen tiefen Schlaf. Wenig später verfestigte sich in seinem Inneren erneut der kleine Eisklumpen und nahm seinen Platz ein.
     
    Am folgenden Tag geschah nichts Erwähnenswertes. Der übernächste Tag war ein Samstag. Es herrschte noch immer ein warmes und heiteres Klima. Die meisten Leute schliefen bis in den Vormittag. Ushikawa saß am Fenster, hörte leise die Nachrichten, den Verkehrs- und den Wetterbericht im Radio.
    Kurz vor zehn kam eine große Krähe und landete auf einer Stufe vor der leeren Eingangstür. Sie nickte mehrmals und blickte sich aufmerksam um. Dabei hob und senkte sie ihren großen kräftigen Schnabel, und ihr schönes schwarzes Gefieder glänzte im Sonnenschein. Als der Postbote auf seinem roten Motorrad heranknatterte, breitete die Krähe etwas unwillig die Flügel aus und flog mit einem Krächzer davon. Nachdem der Postbote seine Last in die entsprechenden Briefkästen verteilt hatte und wieder fort war, traf ein Schwarm Spatzen ein. Lärmend flatterten sie auf der Suche nach Nahrung vor der Haustür herum und machten sich wieder davon, als sie nichts Lohnendes entdeckten. Als Nächstes kreuzte eine getigerte Katze auf. Offenbar gehörte sie in eines der benachbarten Häuser, denn sie trug ein Flohhalsband. Ushikawa hatte sie noch nie gesehen. Die Katze betrat behutsam das welke Blumenbeet, urinierte hinein und schnupperte an dem Ergebnis. Etwas schien ihr daran nicht zu behagen, denn ihre Schnurrhaare zitterten missbilligend. Schließlich stolzierte sie mit hocherhobenem Schwanz davon und verschwand hinter dem Haus.
    Bis zum Mittag verließen mehrere der Bewohner das Haus. Alle erweckten den Eindruck, als seien sie entweder auf dem Weg zu einem Ausflug oder zu einem Einkauf in der Nähe. Ushikawa kannte nun jeden einzelnen vom Sehen, wenn er auch nicht das geringste Interesse an ihrer Persönlichkeit oder ihrem Leben verspürte.
    Für euch hat euer Leben sicher eine Bedeutung und ist keineswegs austauschbar, dachte er. Das weiß ich. Aber für mich ist es völlig belanglos. Für mich seid ihr nicht mehr als Pappkameraden, Scherenschnitte, die an einer Kulisse vorbeiziehen. Ich erwarte von euch nur eins: Dass ihr Pappfiguren bleibt und mich nicht bei der Arbeit stört. »Ja, so ist das, Frau Birne«, sagte Ushikawa, als die nicht mehr ganz junge Frau, die er wegen ihres birnenförmigen Hinterteils so getauft hatte, sein Blickfeld kreuzte. »Du bist nur eine Pappfigur. Keine wirkliche Person. Hast du das gewusst? Aber für eine Pappfigur bist du ganz schön fleischig, oder?«
    Solche Gedanken weckten in ihm allmählich das Gefühl, dass alles, was er sah, belanglos war. Vielleicht war das, was er sah, ja gar nicht real. In Wahrheit war vielleicht er selbst derjenige, der sich von substanzlosen Pappmenschen narren ließ. Diese Vorstellung beunruhigte Ushikawa immer mehr. Bestimmt lag es nur daran, dass er Tag für Tag in dieser leeren Wohnung ohne Möbel eingesperrt war und die Leute bespitzelte. Das musste einem ja an die Nieren gehen. Er beschloss, von nun an das, was er dachte, auch auszusprechen. »Morgen, Herr Langohr«, sagte er zu einem hageren alten Mann, dessen Ohren in einem spitzen Winkel zwischen seinen weißen Haaren

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