Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
schmale Spind war bis auf fünf Kleiderbügel leer. Im Regal stand kein einziges Buch, und auch alle persönlichen Dinge hatte man fortgeschafft. Tengo konnte sich nicht mehr erinnern, was in dem Zimmer gewesen war. Er stellte seine Tasche auf den Fußboden und schaute sich ein wenig um.
    Es lag ein leichter Geruch nach Medikamenten in der Luft, und er konnte noch den Atem des Kranken riechen. Tengo öffnete das Fenster, um frische Luft hereinzulassen. Die verblichenen Vorhänge wurden vom Wind erfasst und flatterten wie die Röcke spielender Mädchen. Plötzlich wünschte sich Tengo, dass Aomame bei ihm wäre und einfach wortlos seine Hand drücken würde.
     
    Er fuhr mit dem Bus zum Rathaus von Chikura. An einem Schalter zeigte er den Totenschein vor und nahm die Genehmigung für die Einäscherung seines Vaters entgegen. Offiziell durfte diese erst vorgenommen werden, wenn seit dem Todeszeitpunkt vierundzwanzig Stunden vergangen waren. Der Name seines Vaters wurde aus dem Melderegister gestrichen, und Tengo erhielt die Sterbeurkunde. Diese Formalitäten nahmen zwar eine gewisse Zeit in Anspruch, aber im Grunde ging alles fast zu schnell und zu einfach vonstatten. Viel nachzudenken brauchte man nicht. Es war nicht viel anders, als würde man ein Auto abmelden. Im Büro des Sanatoriums machte ihm Schwester Tamura drei Kopien von den Unterlagen, die er im Rathaus erhalten hatte.
    »Um halb drei, also bevor Sie sich mit dem Rechtsanwalt treffen, kommt ein Herr der Bestattungsfirma Zenko«, sagte Schwester Tamura. »Bitte geben Sie ihm eine Kopie der Kremierungsgenehmigung. Um alles Weitere kümmert sich der Bestatter. Ihr Vater hat sich zu Lebzeiten mit einem Beauftragten der Firma besprochen und den gesamten Ablauf geplant. Die anfallenden Kosten hat er ebenfalls hinterlegt. Daher brauchen Sie sich um nichts zu kümmern. Es sei denn natürlich, Sie hätten Einwände.«
    Er habe keine Einwände, sagte Tengo.
    Sein Vater hatte so gut wie keine persönlichen Gegenstände hinterlassen. Nur etwas Kleidung, ein paar Bücher und so weiter.
    »Möchten Sie ein Andenken? Mehr als ein Radiowecker, eine alte Armbanduhr zum Aufziehen und seine Brille ist nicht da«, sagte Schwester Tamura.
    Nein, danke, sagte Tengo, wenn es ihr nichts ausmache, möge sie nach ihrem Gutdünken mit den Sachen verfahren.
     
    Um Punkt halb drei traf der Mann von der Bestattungsfirma ein. Er trug einen schwarzen Anzug und ging sehr leise. Er war nicht ganz Mitte fünfzig und hager, hatte lange Finger, große Augen und an einem Nasenflügel eine trockene, schwärzliche Warze. Sein Gesicht war bis unterhalb der Ohren gleichmäßig gebräunt, als würde er viel Zeit in der Sonne verbringen. Tengo wusste nicht, weshalb das so war, aber er hatte noch nie einen dicken Bestattungsunternehmer gesehen. Der Mann erklärte ihm den Ablauf der Kremierung. Seine Wortwahl war ausgesucht höflich, und er sprach sehr langsam. Offenbar wollte er vermitteln, dass nicht die geringste Eile bestehe.
    »Ihr Herr Vater hat zu Lebzeiten den Wunsch nach einer möglichst schlichten Bestattung geäußert. Er möchte in einem einfachen, funktionellen Sarg kremiert werden. Auf Altar, Zeremonie, posthumen buddhistischen Namen, Blumen, Reden und alles Unnötige wollte er verzichten. Er brauche auch keine Grabstätte. Er hat verfügt, dass seine Asche in einem geeigneten Gemeinschaftsgrab hier am Ort bestattet wird. Also, wenn Sie als sein Sohn keine Einwände haben …«
    An dieser Stelle brach er ab und richtete seine großen schwarzen Augen bittend auf Tengo.
    »Wenn mein Vater es so gewünscht hat, habe ich keine Einwände«, sagte Tengo, seinem Blick standhaltend.
    Der Bestatter nickte und senkte die Lider. »Heute ist sozusagen die Totenwache, das heißt, der Leichnam wird über Nacht bei uns aufgebahrt. Daher gestatten Sie uns bitte, ihn jetzt in unsere Räumlichkeiten zu überführen. Morgen bringen wir ihn dann um ein Uhr mittags in ein Krematorium in der Nähe, wo die Einäscherung stattfinden wird. Wäre Ihnen das recht?«
    »Ich habe keine Einwände.«
    »Werden Sie an der Einäscherung teilnehmen?«
    »Ja.«
    »Es kommt häufiger vor, dass Familienmitglieder nicht daran teilnehmen. Es steht Ihnen frei.«
    »Ich nehme teil.«
    »Gut«, sagte der andere sichtlich erleichtert. »Ich habe hier eine Kopie der Papiere, die ich Ihrem Herrn Vater zu seinen Lebzeiten vorgelegt hatte. Wenn Sie bitte bestätigen wollen.«
    Damit zog er, seine langen Finger wie die Beine eines

Weitere Kostenlose Bücher