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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Schwester Omura willkommen. Leise drückten sie ihm ihr Beileid aus, und Tengo bedankte sich.
    Der Leichnam seines Vaters war in einem schlichten, kleinen Raum in einem abgelegenen Winkel des Sanatoriums aufgebahrt. Schwester Tamura wies Tengo den Weg, indem sie voranging. Sein Vater lag, mit einem weißen Tuch bedeckt, auf einer Rollbahre. Eine Neonlampe an der Decke des fensterlosen, quadratischen Raums ließ die weißen Wände noch weißer erstrahlen. Auf einem hüfthohen Schränkchen stand eine Vase mit drei weißen, offenbar an diesem Morgen frisch geschnittenen Chrysanthemen. An einer Wand hing eine runde Uhr. Sie war alt und staubbedeckt, zeigte aber korrekt die Zeit an. Vielleicht hatte sie die Aufgabe, etwas zu bezeugen. Ansonsten war der Raum leer und schmucklos. Die Leichname wie vieler alter Menschen hatten hier wohl schon Station gemacht? Waren in aller Stille gekommen und in aller Stille gegangen? Das Zimmer war nüchtern, besaß jedoch auf seine Weise eine feierliche Atmosphäre, als werde in ihm eine wichtige Hinterlassenschaft weitergegeben.
    Tengos Vater sah kaum anders aus als zu Lebzeiten. Selbst aus der Nähe hatte man nicht den Eindruck, dass er tot war. Seine Gesichtsfarbe wirkte ganz natürlich, und wahrscheinlich hatte ihn jemand zurechtgemacht und rasiert. Sein Kinn und der Bereich unter der Nase erschienen eigentümlich glatt. Der Unterschied zwischen seinem bewusstlosen und seinem leblosen Zustand war nicht gravierend. Es war unnötig geworden, ihm Nahrung zuzuführen und seine Ausscheidungen abzuleiten. Würde man den Leichnam allerdings einige Tage hier liegenlassen, würde die Verwesung einsetzen. Das war wohl der große Unterschied zwischen Leben und Tod. Doch bevor es dazu kam, würde er natürlich eingeäschert werden.
    Der Arzt, den Tengo schon kannte, sprach ihm zuerst sein Beileid aus und erläuterte ihm dann Einzelheiten zum Tod seines Vaters. Er nahm sich viel Zeit und war sehr freundlich, aber im Grunde lief alles auf eines hinaus: Die Todesursache war unbekannt. Bei keiner der Untersuchungen hatte man ein Leiden entdeckt. Stattdessen hatten die Ergebnisse gezeigt, dass sein Vater, abgesehen von seiner Demenz, recht gesund gewesen war. Dennoch war er aus irgendeinem Grund in ein Koma gefallen (dessen Ursache ebenfalls unklar war), in dessen Verlauf all seine Körperfunktionen ganz allmählich, aber unaufhaltsam schwächer geworden waren. Wenn eine Abwärtskurve eine bestimmte Linie überschritten habe, sei es schwierig, das Leben weiter zu erhalten, und so sei der Tod seines Vaters unvermeidlich geworden. So ausgedrückt, war das sicher leicht verständlich, aber vom Standpunkt des Arztes ergaben sich nicht wenige Fragen. Immerhin war die genaue Todesursache nicht zu bestimmen. Sie als Altersschwäche zu deklarieren lag nahe, allerdings sei Tengos Vater mit Mitte sechzig zu jung für eine solche Diagnose.
    »Als zuständiger Arzt muss ich den offiziellen Totenschein für Ihren Herrn Vater ausstellen«, sagte der Arzt vorsichtig. »Wäre es Ihnen recht, wenn ich pro forma ›Herzversagen infolge andauernden Komas‹ einsetzen würde?«
    »Aber faktisch ist mein Vater nicht an ›Herzversagen infolge andauernden Komas‹ gestorben?«, fragte Tengo.
    Der Arzt machte ein nachdenkliches Gesicht. »Nein, an seinem Herzen konnten wir bis zum Schluss keine Beeinträchtigung entdecken.«
    »Und an den anderen Organen konnten Sie auch nichts finden.«
    »Das stimmt«, sagte der Arzt etwas widerwillig.
    »Aber um den Totenschein ausstellen zu können, braucht man eine eindeutige Todesursache?«
    »Genau.«
    »Ich bin ja kein Arzt, aber sein Herz ist doch stehengeblieben, oder?«
    »Natürlich ist irgendwann ein Herzstillstand eingetreten.«
    »Aber ist das nicht so etwas wie ein Versagen?«
    Der Arzt dachte nach. »Wenn man davon ausgeht, dass ein Herz normalerweise arbeitet, haben Sie durchaus recht.«
    »Dann tragen Sie es doch bitte ein. ›Herzversagen infolge andauernden Komas‹. Ich habe keine Einwände.«
    Der Arzt wirkte erleichtert. Der Totenschein sei in etwa dreißig Minuten abholbereit. Tengo bedankte sich. Der Arzt verabschiedete sich, und Schwester Tamura blieb zurück.
    »Möchten Sie eine Weile mit Ihrem Vater allein sein?«, fragte sie. Die Frage klang offiziell, wahrscheinlich war sie vorgeschrieben.
    »Nein, danke, das ist nicht nötig«, sagte Tengo. Auch wenn er mit seinem toten Vater allein gewesen wäre, hätte er ihm nichts zu sagen gehabt. Das war ja noch nicht

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