1Q84: Buch 3
Insekts bewegend, einen Rechnungsbeleg aus einer Dokumentenmappe hervor und reichte ihn Tengo. Obwohl Tengo so gut wie keine Vorstellung von Bestattungen hatte, war für ihn ersichtlich, dass es sich um eine äußerst bescheidene Veranstaltung handelte. Natürlich hatte er auch hier nichts einzuwenden. Er borgte sich einen Kugelschreiber und unterschrieb das Dokument.
Der Rechtsanwalt, der kurz vor drei eintraf, plauderte noch etwas mit dem Bestatter, während Tengo nur dabeistand und dem kurzen Austausch unter Fachleuten nicht recht zu folgen vermochte. Die beiden schienen sich zu kennen. In einer so kleinen Stadt kannte sicher jeder jeden.
Der Kombi des Bestattungsunternehmens war direkt vor dem unauffälligen Hinterausgang der Leichenhalle geparkt. Die Scheiben aller Türen außer der des Fahrers waren schwarz getönt. Der hagere Bestatter schob Tengos Vater mit der Hilfe des weißhaarigen Chauffeurs auf der fahrbaren Liege zu dem schwarzglänzenden Wagen ohne Firmenaufschrift. Der Kombi war mit einer besonders hohen Decke und zwei Schienen ausgestattet, auf denen die Liegefläche der Bahre in den Wagen geschoben wurde. Die Flügel der hinteren Tür schlossen sich mit einem nüchternen Laut, der Bestatter verbeugte sich höflich vor Tengo, und schon fuhr der Kombi davon. Tengo, der Rechtsanwalt, Schwester Omura und Schwester Tamura verneigten sich mit gefalteten Händen vor der hinteren Tür des schwarzen Toyota.
Der Rechtsanwalt und Tengo setzten sich zu ihrer Besprechung in einer Ecke der gegenüberliegenden Cafeteria. Der Anwalt war Mitte vierzig und im Gegensatz zu dem Bestattungsunternehmer dick und rundlich. Sein Kinn war nahezu ganz verschwunden. Ungeachtet der winterlichen Kühle stand ihm der Schweiß auf der Stirn. Wie mochte es ihm da erst im Sommer ergehen? Sein grauer Wollanzug roch nach Mottenpulver. Der Ansatz seines rabenschwarzen, dichten Haares ging bis tief in die Stirn. Seine füllige Statur und der allzu üppige Haarschopf wollten nicht recht zusammenpassen. Er hatte schwere Lider und sehr kleine Augen, aber wenn man genau hinsah, glomm in ihnen ein freundliches Licht.
»Ihr Herr Vater hat ein Testament hinterlassen, aber Sie brauchen sich darunter nichts allzu Großes vorzustellen. Es ist etwas anderes als die Testamente, die in Kriminalromanen vorkommen«, erklärte der Anwalt und räusperte sich. »Es ist eher, wie soll ich sagen, so etwas wie eine kurze Notiz. Erlauben Sie mir, Ihnen den Inhalt erst einmal mit meinen Worten zu erläutern. Das Testament enthält zunächst Anweisungen für die Bestattung Ihres Herrn Vaters, die Ihnen der Herr von der Firma Zenko, der gerade hier war, sicher bereits auseinandergesetzt hat.«
»Ja, das hat er. Mein Vater wünscht eine sehr einfache Bestattung.«
»Ganz recht«, sagte der Anwalt. »Ihr Herr Vater hat verfügt, dass alles möglichst schlicht vonstattengeht. Die Bestattungskosten werden aus seinen Ersparnissen bestritten. Für seine ärztliche Behandlung hatte Ihr Herr Vater, als er in diese Einrichtung eingezogen ist, eine Kaution hinterlegt, die alles abdeckt. Es entstehen Ihnen also keinerlei finanzielle Unkosten.«
»Er hatte auch keine Schulden, nicht wahr?«
»Nein. Er hat alles im Voraus geregelt. Was an Geld auf dem Konto Ihres Vaters bei der Postbank Chikura übrigbleibt, sollen Sie als sein Sohn erhalten. Hierzu muss das Konto formell auf Ihren Namen überschrieben werden, wofür Sie wiederum die entsprechende notariell beglaubigte Seite aus Ihrem Familienbuch und den Nachweis über die Registrierung Ihres Stempels benötigen. Mit diesen Unterlagen gehen Sie direkt zur Postbank Chikura und füllen die notwendigen Formulare persönlich aus. Es könnte sein, dass diese Formalitäten einige Zeit in Anspruch nehmen, denn wie Sie sicher wissen, geht es bei unseren Banken und bei der Post ziemlich bürokratisch zu.«
Der Anwalt zog ein großes weißes Taschentuch aus seiner Jacketttasche und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Das wäre ungefähr alles, was ich Ihnen im Hinblick auf Ihre Erbschaft zu sagen habe. Abgesehen von dem Konto hat er nichts hinterlassen. Er besaß keine Lebensversicherung, keine Aktien, keine Immobilien, keinen Schmuck, keine Kunstgegenstände oder Antiquitäten. Alles ganz unkompliziert.«
Tengo nickte schweigend. Das war typisch für seinen Vater. Es bedrückte ihn ein wenig, dass sein Vater ihm dieses Konto hinterlassen hatte. Er fühlte sich, als habe man einen Stapel feuchter Decken über
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